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Vereinigtes Armenien I DER UNTERGANG DES OSMANISCHEN REICHES
von Michael Preis
30.10.18 Waffenstillstand von Mudros (auf Limnos). 2.11.18 Das Genozidale Jungtürkische Triumvirat der „Drei Paschas" (seit Januar 13) – Enver, Talaat, Cemal – flieht nach Berlin. 4.11.18 Regierungsumbildung in Armenien: Die Ramkavaren treten in die Regierung ein und übernehmen 4 von 8 Ministerien. 13.11.18 Alliierte Streitkräfte besetzen Konstantinopel. 24.12.18 Britische Streitkräfte besetzen Batumi. Die Alliierten erzwingen den Abzug der Türken aus Ostarmenien. Dabei systematische Verwüstungen und mörderische Ausschreitungen. Dezember 18 Im Konflikt um armenisch besiedeltes Grenzgebiet nach dem Abzug der Türken Krieg zwischen Armenien und Georgien. Briten erzwingen Demarkation und Waffenstillstand: Grenzprovinz Lori wird neutrales Kondominium (31.12). Winter 18/19 Der schlimmste Winter seit Menschengedenken in Armenien: Hunger und Kälte - begleitet und gefolgt von Typhus und Cholera - wüten fürchterlich unter der durch Flüchtlingsmassen auf 1,25 Millionen Einwohner angestiegenen Bevölkerung der „Araratrepublik", die um ein Sechstel dezimiert wird. 1919/20 2. armenisch – tatarischer Krieg: Kämpfe zwischen Armeniern und Tataren um Karabagh, Nachitschewan und Sangesur. 1919 Auf dem Territorium der Republik Armenien 500 000 Genozidflüchtlinge, davon 300 000 aus Westarmenien: 4 von 10 Einwohnern Flüchtlinge. Die Opferbilanz des Pontiergenozids (seit 1916): 350 000 von über 600 000 Pontusgriechen im Osmanischen Reich sind ermordet worden. Frühjahr 19 Getreideschiffe aus den USA erreichen Batumi, ihre Ladung wird von britischem Militär nach Jerewan transportiert. Ausgesprochen großzügige Hilfe für „Starving Armenia" aus den USA, insbesondere durch das Hoover – Komitee. Januar 19 Briten beordern Andranik vor der Besetzung Karabaghs zurück und ernennen den türkischen Feudalherren Sultanov zum provisorischen Generalgouverneur Karabaghs und Sangesurs. Der Despot errichtet eine blutige Herrschaft über die Karabagh – Armenier, erlangt aber keine Kontrolle über Sangesur. 7.1.19 Griechen besetzen Odessa: Expedition gegen Bolschewiki (Abzug im März). 18.1.19 Eröffnung der Pariser Vorortkonferenzen, an der die Armenische Delegation (seit 1912 in Paris) unter Nubar Pascha (*1851 in Alexandria +1930 in Paris) als Vertretung Westarmeniens teilnimmt. Februar 19 Delegation der Republik Armenien unter Leitung des Schriftstellers Avetis Aharonyan (*1866 bei Igdir +1948 in Marseille) trifft in Paris ein und vereinigt sich trotz Spannungen mit der Armenischen Delegation. Vorlage des phantastischen Plans über ein Armenien vom Mittelmeer bis zum Kaspischen Meer. Die Mächte erkennen Armenien - vor Entscheidung des Bürgerkrieges in Rußland - noch nicht an. 8.2.19 General Franchet d ´Espéret reitet auf einem Schimmel in Konstantinopel ein, um das Ende türkisch - osmanischer Herrschaft über die Stadt anzuzeigen. März 19 Türkische Aufregung in Konstantinopel um das Gerücht, die Griechen seien dabei, die Hagia Sophia zu rekonsekrieren. Osmanische Gardesoldaten schreiten ein. 28.3.19 Italiener besetzen Antalya und umgebenden Küstenstreifen (bis 1.6.21). April/Mai 19 Der erste Ministerpräsident Armeniens, Hovhannes Kachaznuni (1868 – 1938, Opfer Stalins) bereist Europa und die USA, um Hilfe für Armenien zu erwirken. Er wird von Innenminister Alexander Khatisyan, dem ehemaligen Bürgermeister von Tiflis (1910 – 17) vertreten - der ihn im August ablöst. April 19 Die Briten heben die türkische Autonomie in der Provinz Kars auf und übergeben sie an Armenien. Mai 19 Die Briten übergeben Nachitschewan aus ihrer Militärverwaltung (seit Dezember) an Armenien. Armenische Truppen zerschlagen türkische Autonomiebestrebung. 2.5.19 Chrysanthos, Metropolit von Trapezunt, legt in Paris Plan zur Errichtung einer pontisch – griechischen Republik in der Provinz Trapezunt vor. 15.5.19 Unter britischer und amerikanischer Protektion – im Zusammenhang mit den Angriffen türkischer Milizen auf griechische Gemeinden in Kleinasien - Landung der Griechen in Smyrna. Besetzung von Stadt und Provinz: Menemeni (17.), Tschesme und Alatsata (18.), Ephesos und Phokaia (23.), Magnesia (25.), Kydonies (29.), Pergamos (19.6), Thyateira (22.6.20). Große Verärgerung der Italiener, die Smyrna ebenfalls beanspruchen – aber eben auch Zerbrechung des jahrhundertealten turkislamischen Jochs über dem kleinasiatischen Griechentum. 16.5.19 Gründung der Universität Jerewan. 19.5.19 Kemal Pascha landet in Samsun. Wenige Stunden zuvor will der britische Militärattaché seine Abreise verhindern. Der Großwesir: „Zu spät Exzellenz. Der Vogel ist ausgeflogen." 28.5.19 Am Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung proklamiert die armenische Regierung die Wiedervereinigung Ost- und Westarmeniens. Die Ramkavaren verlassen darauf die Regierung: Alleinregierung der Daschnaken. 28.5.19 Briten deportieren aus Konstantinopel nach der Freilassung Dutzender Genozidangeklagter 12 nach Limnos und 55 nach Malta: Freipressung durch Geiselnahme britischer Zivilisten und Offiziere. 21. - 23.6.19 Parlamentswahlen in Armenien: HHD 72, Sozialrevolutionäre 4, Tataren 3, Unabhängige Bauernunion 1. Boykott der Wahlen durch die Bolschewiki und die Ramkavaren der SRK (Konstitutionell Demokratische Partei). Regierung wird faktisch zum Vollzugsorgan des Zentralkomitees der HHD. Mitte 19 Der sowjetische Reitergeneral Budjonnyj sagt Kemal Pascha bei Geheimtreffen Unterstützung gegen armenischen, pontisch - griechischen und kurdischen Staat in Kleinasien zu. Juli/Aug. 19 Türkischer Nationalistenkongreß in Erzurum unter Vorsitz Kemal Paschas verwirft kategorisch armenischen Staat in den „Sechs Vilayets" (Westarmenien/"Türkisch – Armenien": Van, Bitlis, Diyarbekir, Kharput, Sivas, Erzurum) oder Teilen davon. Genozidflüchtlingen wird die Rückkehr verweigert. Juli 19 Wardrop wird britischer Chefkommissar für den Transkaukasus in Tiflis. Entwirft nach ihm benannte Linie zur Grenzziehung zwischen Armeniern und Tataren: Nachitschewan armenisch, Karabagh und Sangesur tatarisch. 18.7.19 Beginn eines Tatarenaufstandes - in Verbindung mit Tatareninvasion - in Nachitschewan, begleitet von den üblichen Gemetzeln. Armenien verliert die Kontrolle über Nachitschewan. Die armenische Regierung beginnt mit der scharfen Repression der Tataren in Armenien. August 19 Abzug britischen Militärs aus dem Transkaukasus (ausgenommen Batumi, bis 7.7.20). 5.8.19 Aharonyan wird armenischer Parlamentspräsident – und damit Staatsoberhaupt Armeniens (wie schon Mai – August 1918). September 19 Die „Araratrepublik" gerät durch die Tatarenangriffe – oft von türkischen Offizieren kommandiert – die bis in die Umgebung Jerewans vorstoßen, in existentielle Gefahr: Vorübergehende Räumung von Kars. 25.9.19 Harbord - Kommission trifft in Armenien ein, um Möglichkeit eines US – Mandats für Armenien zu untersuchen (Bericht an Wilson im November) und wird freudig begrüßt. Oktober 19 IX. Daschnaken – Kongreß in Jerewan (oder Eriwan) beschließt L´Opération Némésis an hauptverantwortlichen Genozidverbrechern. Cheforganisator des Unternehmens ist Shahan Natali (Hakob Ter – Hakobian *1884 in Husseinik, Kurdistan +19.4.1983 in Boston, Massachusetts). 24.10.19 Entscheidung im Russischen Bürgerkrieg durch die vernichtende Niederlage der Weißen unter General Anton I. Denikin gegen die Rote Armee südlich von Moskau: Armenien verliert einen potentiellen Protektor gegen die Türken. 23.11.19 US – Vermittler Haskell erzielt - nach nochmaliger Intensivierung der Kämpfe - brüchigen Waffenstillstand zwischen Armenien und den Tataren. 27.11.19 Friedensvertrag von Neuilly: Bulgarien verliert Westthrakien und damit seinen Zugang zur Ägäis an Griechenland (Zusatz zum Vertrag von Sèvres). Dezember 19 Nach erneuten Tatarenangriffen auf Armenier in Nachitschewan befiehlt die Regierung in Jerewan drakonische Vergeltung durch Zerstörung von Tatarendörfern in Sangesur. 1.12.19 Sir Eyre Crowe aus Paris nach London: ‘To consider and decide the Armenian question purely on the basis of present numbers would surely amount to countenancing and encouraging the past Turkish method of dealing with the problem of their subject nationalities!’ 1920/23 Die Briten teilen Irland in ein katholisches und protestantisches und Kleinasien in ein turkmuslimisches und griechischorthodoxes Territorium (und zukünftig Indien in ein muslimisches und hinduistisches Gebiet). Frühjahr 20 In Konstantinopel verdichten sich die Gerüchte über einen bevorstehenden türkischen Angriff auf Armenien. Die Briten beharren unterdessen auf ihrer generellen verächtlichen Unterschätzung der Türken und sehen in Kemal Pascha nicht viel mehr als einen Straßenräuber. Januar 20 Fortsetzung der armenisch – tatarischen Auseinandersetzung um Nachitschewan, Sangesur und Karabagh als intensivierter Kleinkrieg, insbesondere durch militante Daschnaken. 28.1.20 Das osmanisches Parlament in Konstantinopel nimmt nach vorhergehenden Türkenkongressen in Anatolien in geheimer Sitzung den ultranationalistischen „Nationalpakt" an, der ganz Kleinasien zum türkischen Territorium erklärt: Damit auch Anspruch auf ganz Westarmenien und die Hälfte Ostarmeniens mit Kars. 10.2.20 Französischer Abzug aus Marasch nach tagelangen Kämpfen wird - nach der Vernichtung Kleinarmeniens (Armenien westlich des Euphrats) im Genozid - zum Fanal für den Untergang Kilikiens. Die zurückgekehrten Armenier, die die Franzosen - Fremdenlegion, Algerier und Senegalesen - freudig begrüßten, schließen sich ihnen durch Flucht an oder verbleiben in der Stadt, wo sie durch ein „Weißes Massaker" – Ausgangssperre nach Entwaffnung – ermordet werden: 10 000 Opfer. - Abzug der Franzosen aus Urfa (11.4.) – die von den Türken hinterhältig und verräterisch massakriert werden. Nachdem der Vorstoß nach Kilikien gescheitert ist, konzentrieren die Franzosen sich auf die Stabilisierung ihrer Position in Syrien. März 20 Konstantinopel: Soghomon Thelirian und Archavir Chirargian erledigen armenische Verräter. 16.3.20 Britischer Militärstreich in Konstantinopel: Auflösung des nationalistischen osmanischen Parlaments und Verhängung des Kriegsrechts. 21./22.3.20 Karabagh – Armenier nutzen die Nacht des Newroz – Festes zum Aufstand gegen Tatarenbesatzung und ihren Entwaffnungsbefehl. Nach Anfangserfolg Niederlage durch Gegenangriff: Tataren brennen Schuschi nieder (23.). April 20 Armenier nutzen den Druck der Roten Armee auf die Tataren und gewinnen in Gegenoffensive die Kontrolle über die umkämpften Gebiete - Karabagh, Sangesur, Nachitschewan. 22.4.20 USA erkennen Republik Armenien offiziell an. 25.4.20 San Remo - Konferenz der Alliierten und Völkerbundratsmitglieder: Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan bestätigen, daß Armenien Van und Bitlis (Erzurum umstritten) einschließen und mit Trapezunt einen Zugang zum Meer erhalten soll und bitten US – Präsident Wilson, ein Protektorat der USA für Armenien einzurichten oder die armenisch – türkische Grenze festzulegen. 26.4.20 San Remo – Konferenz der Alliierten vergibt die nah- und mittelöstlichen Völkerbundmandate: Für den Libanon und Syrien an Frankreich (militärisch durchgesetzt gegen den Haschemitenprinzen Feisal, Juli 20). 27./28.4.20 Die Rote Armee unter Sergej M. Kirov (1886 – 1934) besetzt Baku – während das Gros tatarischer Kräfte in Karabagh gebunden ist. Proklamation einer Sowjetrepublik. 1.5.20 Bolschewistischer Putsch in Alexandropol, Ostarmenien. Ministerpräsident Alexander Khatisyan (1876 – 1945, Paris) verliert sein Amt an Außenminister Hamazasp Ohanchanyan (1873 – 1947, Kairo), der die „Parteibüro – Regierung" der Daschnaken bildet und die Erhebung niederschlagen läßt: Regierungstruppen besetzen Alexandropol (14.5). Unterdrückung der Bolschewiki durch die Daschnaken. Mai 20 Die Rote Armee vertreibt armenische Truppen wieder aus Karabagh - das zum „Umstrittenen Gebiet" erklärt wird – und steht am Nordufer des Sewan Sees. 11.5.20 Alliierte stellen den Türken Text des Friedensvertrages zu. 27.5.20 US – Senat lehnt Protektorat der USA für Armenien ab. Damit wird die Alternative wirksam: Festlegung der armenisch – türkischen Grenze durch US – Kommission unter Präsident Wilson. Juni 20 Armenische Truppen besetzen nach Grenzkämpfen mit türkischen Warlords das autonome Oltu – Gebiet am Rand der Provinz Kars. Juni 20 Armenische Mission unter Levon Shant nach Moskau. Volkskommissar Tschitscherin verlangt Trennung von der Entente als Voraussetzung eines Freundschaftsvertrages. Er verspricht Armenien Gebiete im Westen (ohne Erzurum), einen Zugang zum Meer und Nachitschewan (zunächst auch Sangesur). Juni 20 L´Opération Némésis: Aram Yerganian erledigt in Tiflis den ehemaligen Ministerpräsidenten der Tataren, einen Hauptverantwortlichen für das Gemetzel in Baku. 15.6.20 17 führend am Maiputsch beteiligte Bolschewisten werden in Jerewan hingerichtet. 22.6.20 Kronrat in Konstantinopel akzeptiert die Friedenbedingungen der Alliierten - bei einer Gegenstimme. 22.6.20 Aufnahme des Feldzugs der Griechen gegen die türkischen Nationalisten in Kleinasien. 5.7.20 Invasion der 11. Roten Armee und tatarischer Verbände in Sangesur – Entwicklung des armenisch – tatarischen zum armenisch – sowjetischen Krieg. Zunächst erfolgreicher Gegenangriff armenischer Truppen unter General Dro, die dann aber vollständig geschlagen werden. 9.7.20 Griechen besetzen Bursa. - Rednerpult der türkischen Nationalversammlung wird für die Dauer der Besatzung mit schwarzem Tuch verhüllt. 25.7.20 Griechen besetzen Adrianopel, Ostthrakien. 30.7.20 Attentat royalistischer Offiziere auf den griechischen Ministerpräsidenten Venizelos am Bahnhof in Lyon scheitert. Aug./Sept. 20 Das Unabhängigkeitsdogma der Daschnaken erodiert angesichts des doppelten und intensivierten Drucks, dem Armenien durch die in ein gefährliches Einvernehmen tretenden Kemalisten und Bolschewiki ausgesetzt ist – und gegen den alliierte Hilfe immer zweifelhafter erscheint. Es verbleibt damit das Ziel – Priorität nationaler Zielsetzung vor staatlichen und bürgerlichen Freiheitsrechten und ideologischen Erwägungen - die Aufteilung Armeniens zwischen Kemalisten und Bolschewiki zu verhindern, ihr Arrangement und den massenmörderischen Triumph der Türken zu unterlaufen. Dazu Entwurf des „Vardan – Projekts" im Parteibüro der Daschnaken zur autonomen Gründung einer Sowjetrepublik. ZK – Vorsitzender Simon Vratsyan (oder Grusyan, *1882 in Nor Nachitschewan +1930 in Paris, ermordet) intern: „Da uns kein amerikanisches Protektorat gewährt wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns um ein russisches Protektorat zu bemühen." Aug./Sept. 20 „Kongreß der Völker des Orients" in Baku mit alarmierender Teilnahme türkischer Todfeinde Armeniens, wie Enver Pascha. Propagierung der Befreiung der kolonialisierten Völker vom westlichen Imperialismus unter Leitung der Bolschewiki. 5.8.20 Mihran Damadyan (*1863 in Konstantinopel + 1945 in Kairo) proklamiert sich zum Gouverneur Kilikiens unter französischem Protektorat und wird am gleichen Tag zum Rücktritt gezwungen. 10.8.20 Friedensvertrag von Sèvres. Armenien (Unterschrift durch Aharonyan) erhält zum Territorium der „Araratrepublik" zusätzlich Van und Erzurum und mit Trapezunt einen Zugang zum Schwarzen Meer. Den Armeniern wird damit (fast ganz) Westarmenien zugestanden. Lasistan wird zum Bestandteil Georgiens erklärt. Mit der exakten Fixierung der türkisch – armenischen Grenze ist eine US – amerikanische Kommission unter dem nominellen Vorsitz Präsident Wilsons beauftragt. In den proarmenischen Konzessionen wird das theoretische Bemühen einer Kompensation für ein schrecklich mißhandeltes Volk offensichtlich. Griechenland erhält ganz Thrakien mit den Ägäisinseln Imbros und Tenedos sowie Ionien (ca. 20 000 Qkm, Bevölkerung: 550 000 Griechen, 300 000 Türken, 90 000 Armenier, Juden u.a.) - wo in 5 Jahren Referendum stattzufinden hat. Damit ist das „Griechenland der zwei Kontinente und fünf Meere" geschaffen. – Eine Internationale Zone um die Meerengen und an den Küsten des Marmarameeres wird entmilitarisiert und zum Teil unter alliierte Verwaltung gestellt. 10.8.20 Waffenstillstandsvertrag Armeniens mit Sowjetrußland: Die Rote Armee besetzt nach Karabagh (im Mai) auch die anderen mit den Tataren umstrittenen Provinzen Nachitschewan und Sangesur. 24.8.20 Vertrag von Moskau zwischen Bolschewiki und Kemalisten: Beilegung strittiger Fragen, Aufnahme diplomatischer Beziehungen, Abkommen über Handel und Waffenlieferungen. Beschluß, keinen Vertrag anzuerkennen, den der Vertragspartner nicht anerkennt (Sèvres) und den ungehinderten Transport von Gütern und Personen zwischen den Vertragspartnern sicherzustellen (Vasallierung Armeniens). Jedoch noch keine Ratifizierung, weil Moskau und Ankara sich über die Abgrenzung ihrer Interessensphären, die Fixierung der türkisch – armenischen Grenze nicht verständigen können und diese Frage noch offen lassen. Die nationalistische Türkei besteht auf territorialen Maximalforderungen – gegen das sowjetische Rußland, das Gebietskonzession an Armenien verlangt. Sept. 20 Vertreibung armenischer Truppen durch Türken aus dem Oltu - Gebiet – die wiederum armenische Gegenoffensive auslöst. Kemal Pascha gibt unterdessen dem seit Monaten darauf drängenden General Karabekir Pascha Angriff auf Armenien frei. 24.9.20 Beginn der Türkeninvasion der nationalistischen Ostarmee unter Karabekir Pascha in Armenien mit Hauptstoß auf Kars aus der Gegend um Erzurum und einer Soldateska von 50 000 auf 700 km Breite – gegen die Armenien weniger als 30 000 Mann aufzubieten hat. Die „Araratrepublik" kann der Invasion, zusätzlich unter dem Druck der Roten Armee, die Dörfer an der Nordostgrenze besetzt und durch Bandenunwesen im Inneren gebunden, keinen Einhalt gebieten. Armenien ist durch den Genozid zu sehr geschwächt, eine ausgeblutete Nation. Nach dem Untergang Kleinarmeniens und Kilikiens perfekter Erfolg des genozidalen Vorgehens der Türken? 29.9.20 Sarikamish fällt. 29.9.20 Armenien bittet Großbritannien über den Chef der britischen Militärmission um Intervention gegen die Türkeninvasion - ohne Reaktion und damit entsprechende Annahmen bestätigend. 29.9.20 Kriegsminister Ruben Ter – Minasian (*1882 in Aschkalkalak +1950 in Paris) reist in Sondermission nach Tiflis, um Militärbündnis zwischen Armenien und Georgien gegen die Türken zu erzielen. Die Georgier lehnen ab, ihr Vertrag mit Sowjetrußland biete ihnen Schutz. Ter – Minasian zum Abschied: Als Konsequenz ihrer Entscheidung würden beide ihre Freiheit verlieren, erst Armenien, dann Georgien. Ende Sept. 20 Nach scharfen Auseinandersetzungen im HHD – Parteibüro Aufnahme seiner Verhandlungen mit den führenden armenischen Bolschewiki in Gefängnis und Untergrund um Regierungsbeteiligung. ZK – Vorsitzender Vratsyan intern: Armenien befinde sich zwischen „Hammer und Amboß", könne seine Unabhängigkeit gegen den türkischen Angriff nicht verteidigen und drohe auf ein Restgebiet um Jerewan und Etschmiadsin verstümmelt zu werden, das dann sowjetisiert werde. Es müsse daher versucht werden - durch Gründung einer Sowjetrepublik – den Osten und historische Kerngebiete in Westarmenien zu retten und ein Maximum an Autonomie zu wahren. 9.10.20 Lenin: Ziel des türkischen Angriffs sei Baku. 11.10.20 Der sowjetische bevollmächtigte Sondergesandte Legrand trifft in Jerewan ein. Verlangt von Armenien für Abschluß mit Sowjetrußland die Kündigung von Sèvres, den freien Transit seines Territoriums und das Mandat zur Beilegung aller Grenzstreitigkeiten. Gibt die vermutete hinhaltende Taktik zu erkennen, die nach türkischem Vernichtungsfeldzug auf die Sowjetisierung „Rest – Armeniens" abzielt. Eine vergebliche Liebesmüh´. 12.10.20 Ministerpräsident Ohanchanyan tritt zurück. Vratsyan wird Ministerpräsident Armeniens für eine Woche und bereitet durch Abschluß der Verhandlungen mit den Bolschewiki einen dramatischen Kurswechsel vor. 12.10.20 Der neue Verteidigungsminister Armeniens, Nationalheld General Dro, ordnet umgehend den Rückzug auf Kars an, ernennt seinen Festungsbefehlshaber, General Movses Silikian (1862 - 1937, Opfer Stalins), zum Kommandanten aller Truppen der Region und verfügt die Wiedereinführung der Todesstrafe im Militärstrafrecht (Mai 17 aufgehoben). Direktive: Kars müsse gehalten werden, „sonst ist der Westen für immer verloren." Mitte Okt. 20 Die überlebenden Armenier des halbjährigen Kampfes gegen die türkische Belagerung Hadjins (Nordkilikien) geben ihre Stadt auf – die von der Landkarte verschwindet – und fliehen nach Syrien. 17.10.20 Türkische Nationalversammlung lehnt den Vertrag von Moskau wegen Verletzung des „Nationalpakts" ab. 18.10.20 Waffenstillstand zwischen Polen und Rußland in Kraft. Damit erhebliche Stärkung der russischen Position im Transkaukasus. 19./20.10.20 Die „Armenische Oktoberrevolution" - Ergebnis der Türkeninvasion und des Genozids: Alles ist besser als ein Türkenregime und ein türkischer Völkermorderfolg. 19.10.20 Nach Demonstrationen und Krawallen durch Arbeiter und Soldaten in Jerewan tritt die Regierung Aharonyan/Vratsyan zugunsten eines Revolutionskomitees (RevKom) aus 3 Bolschewiki und 3 Daschnaken zurück. Verteidigungsminister General Dro und Terteryan, beide linke Daschnaken, gehören dem RevKom an. Die bolschewistischen Komiteemitglieder: Musayelyan (1882 – 1937), Führer des Maiaufstandes, an dem auf Intervention Vratsyans das Todesurteil nicht vollstreckt wurde, wird aus dem Gefängnis geholt, Ter – Gasparian „Kasian" (1876 – 1937) taucht aus dem Untergrund auf und Anastas Mikoyan (1895 – 1978) wird aus Baku berufen. Das RevKom verkündet umgehend ebenso die rückwirkende Generalamnestie für politische Delikte wie die Straffreiheit behördlicher Maßnahmen. 20.10.20 Die Nationalversammlung Armeniens erkennt das RevKom in dramatischer Nachtsitzung an und löst sich auf (47 zu 30). Damit Abschluß der I. Republik, der Demokratischen Armenischen Republik (DHH). 20.10.20 Das RevKom proklamiert die Sowjetrepublik Armenien, richtet einen Appell an die russische Sowjetrepublik um Hilfe im „revolutionären Krieg" zur Befreiung des „international anerkannten" sowjetarmenischen Territoriums von „feudalistisch - neoimperialistischen Banden" und wählt Alexander Mjasnikyan „Martuni" (*1886 in Nor Nachitschewan – gest. 1925 bei Tiflis, Flugzeugunfall) zu seinem Vorsitzenden - den diese Nachricht als Funkspruch in Moskau bei Lenin überrascht. Der moderate Bolschewik Martuni wird damit erster und einziger Regierungschef der (formal) unabhängigen Sowjetrepublik Armenien. Das Schlüsselministerium des Äußeren (in Volkskommissariat umbenannt) verbleibt in der Hand der HHD, das des Inneren fällt an die Bolschewiki. Der Grund zur Nichtintervention des Kremls gegen den türkischen Feldzug, der Rest – Armenien reif zur Sowjetisierung machen soll, ist entfallen. Die düpierten Sowjets sind unter Zugzwang gesetzt, können aus Gründen des Prestiges der Revolution den Appell einer anderen und neuen Sowjetrepublik nicht ignorieren, gar ihren Ruin hinnehmen. Zudem kann in Armenien der Präzedenzfall einer erfolgreichen Sowjetrepublik durch die Hilfe Moskaus geschaffen werden - was dessen internationales und revolutionäres Prestige erheblich steigert. In Armenien historischer Sonderfall einer Republik, die sowjetische Expansion herbeiruft. Im Foreign Office ist man schockiert über den Umsturz in Jerewan. Der Grad der Verzweiflung der Armenier sei sträflich unterschätzt worden. Die alternative Reaktion: Empörung über den „Verrat" der Armenier, denen man noch vor einem Vierteljahr Militärgut, darunter 25 000 kanadische Ross – Gewehre geliefert habe, die jetzt in bolschewistische Hände fielen. Die Briten vergessen hierbei, daß sie Armenien niemals offen bekannt haben gegen eine Türkeninvasion nicht zu intervenieren, um zu verhindern, was nun doch eingetreten ist: Sein Streben nach einem russischen Protektorat. 20.10.20 Spaltung der HHD/Daschnaken in linke Anhänger und rechte Gegner des Sowjetregimes - die sich als AHHD/Nationaldaschnaken konstituieren. Beginn der blutigen Fehde zwischen Nationaldaschnaken und (Links)Daschnaken. Der Nimbus General Dros verhindert Meuterei und größere Unruhen in der Armee. 23.10.20 Die 11. Rote Armee unter Ordchonikidse (1886 – 1937) rückt in Armenien ein. Die russische Sowjetregierung fordert das Ankara – Regime in inoffiziellem Funkspruch aus Moskau zum Rückzug seiner Verbände auf die Waffenstillstandslinie der 1914er Grenze auf und setzt die Waffen- und Munitionslieferungen zu ihm aus. Aussetzung der antiimperialistischen Allianz zwischen Bolschewiki und Kemalisten. Moskau ernennt seinen Sondergesandten Legrand zum Botschafter in Jerewan, signalisiert der Sowjetrepublik Armenien die Übergabe Sangesurs und Nachitschewans, die Unterstützung seines Anspruchs auf einen Zugang zum Meer und Konzessionen in „Türkisch – Armenien" – wiederholt aber auch die Forderung der Kündigung des „imperialistischen" Friedensvertrages von Sèvres. Armenien verlangt einen trilateralen Vertrag zur Ablösung Sèvres´ und ignoriert die Forderung nach seiner Kündigung - durch die es seine Ansprüche im Westen aufgäbe und der US – Grenzkommission das Mandat entzöge. Die „Armenische Oktoberrevolution" sichert zumindest das Gebiet der „Araratrepublik", Ostarmenien. Zu mehr bedarf es einer günstigen weiteren Entwicklung im Sinne des armenischen Kalküls: Des Bruchs zwischen Bolschewiki und Kemalisten durch türkische Beute- und Landgier – ohne daß es darüber zur Allianz der Westmächte mit den Kemalisten oder zur Auflösung der „Wilson – Kommission" kommt. Die Regierung in Tiflis legt die geplante Annexion der neutralen Provinz Lori ad acta. 25.10.20 Plötzlicher Tod des jungen Königs Alexander von Griechenland nach Biß eines Äffchens, der, so Churchill memorierend, Hunderttausende das Leben gekostet habe. - Ministerpräsident Venizelos tritt nach Wahlniederlage zurück (November). 30.10.20 Die 11. Rote Armee besetzt Jerewan. Die Türken schließen Kars ein. Beginn eines erbitterten Abwehrkampfes, gestützt auf die Zitadelle, bei dem die Armenier erstmals ihre drei französischen Flugzeuge einsetzen. Der Türkengeneral Karabekir Pascha: Er verwandele die armenischen Provinzen in ein „Totenreich". Den Gemetzeln türkischer Invasionstruppen – dicht gefolgt von türkischen und kurdischen Siedlern – sind 100 000 Armenier zum Opfer gefallen. Etwa 10 000 armenische Kriegsgefangene werden nach Erzurum getrieben, wo sie alle verhungern oder ermordet werden. 30.10.20 Inoffizielle Initiative des britischen und französischen Botschafters in Washington - Präsident Wilson ist faktisch amtsunfähig – um die Niederlegung des Mandats zur Festlegung der armenisch – türkischen Grenze durch die USA zu erzielen: Die Ausdehnung russischen Einflusses auf Westarmenien soll abgewendet werden. Eine Teilaussetzung des Friedensvertrages von Sèvres lehnt Großbritannien ab, da sie den feindlichen türkischen Nationalisten Auftrieb gäbe. Großbritannien und Frankreich brechen die diplomatischen Beziehungen zum armenischen „Oktoberregime" ab, intervenieren aber unter dem Eindruck des Genozids und der erwarteten öffentlichen Reaktion nicht offen und massiv gegen Armenien zugunsten der Türken. November 20 Kemal Pascha erklärt den Russen seine Bereitschaft zu Verhandlungen über die russisch – türkische Grenze von 1914, schließt darüber hinausgehende, von ihnen geforderte Konzessionen in „Türkisch – Armenien" und einen Zugang zum Meer für Armenien aber kategorisch aus und droht mit dem definitiven Ende der antiimperialistischen Allianz und der Entfesselung des Panturkismus bis nach Sibirien. Die Russen drohen im Gegenzug damit, Armenien die Sèvres – Gebiete zuzugestehen. Gleichzeitig eröffnet Kemal durch Unterhändler in Konstantinopel eine riskante Intrige und bietet den Westmächten ein Kriegsbündnis gegen Sowjetrußland an - bei Anerkennung uneingeschränkter und ungeteilter nationalistischer Souveränität in Kleinasien und Konstantinopel (eventuell Bestätigung des Ionien – Referendums, aber unter türkischer Besatzung). Ein fataler Fehler. Lloyd George, der sich nicht zuletzt auch den Griechen verpflichtet fühlt und Kemal Pascha haßt, lehnt kategorisch ab – und läßt die türkische Intrige an Moskau verraten, um Bolschewiki und Kemalisten zu spalten: Ein Geschenk des Himmels für die Armenier. Das alte türkische Spiel, Ost und West gegeneinander auszuspielen, scheitert einmalig in einmaliger historischer Situation. Die Briten gelangen angesichts der Entwicklung auch zu der Neuinterpretation und dem Kalkül, daß Sowjetarmenien zwar russischen Druck auf Mossul erhöht, die strategische Schlüsselposition aber (weitgehend) gegen unmittelbareren türkischen Druck sichert. Die drohende geostrategische Expansion Rußlands bis an den Antitaurus wird zudem durch den Ausbau der britischen Machtposition im Nahen und Mittleren Osten ausbalanciert. November 20 Die völlig absurde Interpretation der Kemalisten durch die Bolschewiki erodiert. Moskau erfährt von der Intrige Kemals mit der Entente in Konstantinopel und kommt außerdem – aufgrund türkischer Drohungen und des Aufstandes im Transkaukasus, von der armenischen Sowjetführung darin bestärkt – zu dem Schluß, daß nur ein „Vereinigtes Armenien" einen wirksamen Sperriegel gegen den forcierten Panturkismus bildet und Voraussetzung der Stabilisierung der Position des Kreml in ganz Zentralasien ist. Es bietet sich damit außerdem die historische Chance – die Türken sind nicht mit den Westmächten verbündet sondern stehen sogar unter deren Druck – zum Griff bis an die Schwelle Mesopotamiens, wohin die Zaren nie gelangt sind. Den von den Bolschewiki im Grunde verachteten Türken läßt sich eine empfindliche Niederlage beibringen, die günstig zu prognostizieren ist: Die Gefahr durch Pilsudski - Polen ist gebannt und die Krim wird eingenommen, während die westlichen Imperialisten ohnehin kriegs- und interventionsmüde sind und die Türken einlenken müssen, weil sie andernfalls von den Griechen niedergeworfen werden. Gerade auf Betreiben des Nationalitätenkommissars Stalin werden aus progressiven antiimperialistischen türkischen Nationalisten - als Führer nationaler Befreiungsbewegungen und der Umma entscheidende Agenten der Weltrevolution - im Schnelldurchlauf reaktionäre Neoimperialisten, die von anderen muslimischen Völkern gehaßt werden. November 20 Die armenische Botschaft in Washington und die Diaspora in den USA (insbesondere das ACIA American Committee for the Independence of Armenia) – die trotz Gegnerschaft zum Regimewechsel in der Heimat nicht als Verräter an ihr gelten will – wirken massiv und erfolgreich auf die Beibehaltung des Mandats der US – amerikanischen Kommission zur Fixierung der armenisch – türkischen Grenze und damit auf die Bestätigung der territorialen Konzessionen aus Sèvres hin. Die Amerikaner sind zwar über den „roten Umsturz" in Jerewan schockiert und verärgert, bleiben aber Sympathisanten der Armenier, deren Regime nicht gar so rot erscheint wie das der Russen – und Gegner der Türken. Ein Kommissionsmitglied intern: „The Turks must be punished for their atrocities". Zudem haben die USA keine strategischen Interessen in Westarmenien und wollen durch die Beibehaltung des Mandats die eventuelle und bereits angedeutete neoimperialistische britisch – französische Politik im Bund mit den schrecklichen Türken konterkarieren. Daneben hoffen einige protestantische Lobbies in den USA auf die Rückgewinnung vernichteter Missionsgebiete. 12.11.20 Kampf um Kars. Rote Armee und armenische Truppen brechen in koordiniertem Angriff mit der Garnison die Belagerung von Kars auf. Einsatz des Panzerzugs „Azatamart" (Freiheitskämpfer). Abzug der Türken unter Karabekir Pascha nach Sarikamish. - Kemal Pascha hat den Rückzug zur Verhinderung eines Zusammenstoßes nicht angeordnet, um keine Rebellion Karabekir Paschas auszulösen und weil bei einer Niederlage seine persönliche, bei einem Abwehrsieg die türkische Position gestärkt würde. An der anderen Türkenfront an der Araratebene frieren die wochenlangen entscheidungslosen Kämpfe um Igdir im hereinbrechenden Winter ein. 15.11.20 Sewastopol fällt, die Krim ist in der Hand der Roten Armee. Damit faktisches Ende des Russischen Bürgerkrieges und Stärkung der sowjetrussischen Position gegenüber den nationalistischen Türken. 19.11.20 Baku: Nach Unruhen und Streiks gegen die proarmenische Parteinahme des Kreml Aufstand, der durch die Meuterei von Tatareneinheiten die Sowjetmacht niederwirft. Enver Pascha, von erfolglosen Verhandlungen mit Lenin aus Moskau zurück und einige Wochen zuvor noch Delegierter des Völkerkongresses - der den Russen seine Vermittlungsdienste versprochen hatte – setzt die Proklamation der „Türkischen Republik Tataristan" durch. Enver Pascha und Kemal Pascha: Zweimal Verrat und Meuterei. In Gandscha kann sich die Sowjetmacht strategisch entscheidend mit Hilfe der Armenier gegen aufständische und meuternde Tataren behaupten. Beginn der Verlegung von Einheiten der 11. Roten Armee nach Karabagh und an die Kura. Der Kreml droht den Tataren in Karabagh mit der Übergabe des Landes an die Armenier. 20.11.20 Fixierung der türkisch – armenischen Grenze durch US – Kommission. Die Kreation des Vereingten Armeniens ist ein Vorgriff auf die Dyarchie des Kalten Krieges – bei Abdrängung britischer und französischer Ansprüche - als Koproduktion Wilsons und Lenins. Armenien ist - wie das Judentum - Opfer der Moderne und ihr Profiteur zugleich: Durch den Untergang der Autokratien des Sultans und des Zaren und die siegreichen Prinzipien einer zukünftigen bipolaren globalen Ordnung. Spruch in Armenien: „Wer sind die Retter Armeniens? – Wilson und Lenin." 22.11.20 Die US – amerikanische Kommission gibt exakten Verlauf der türkisch – armenischen Grenze, die sog. „Wilson – Linie", bekannt. Signal für die Russen zur freien Hand - für den schockierten Kemal Pascha, der auf die Auflösung der Grenzkommission spekulierte, zum Einlenken. Die gräßliche Ironie der Geschichte: Der Genozid war nicht nur ein monströses Verbrechen, sondern auch ein schwerer Fehler der Türken und ermöglicht die Befreiung der historischen Kerngebiete Armeniens von ihrem jahrhundertelangen Joch und dem kurdischer Banden. Kemal Pascha gesteht intern den schweren taktischen Fehler der „Episode" ein, die die „ostanatolischen" Provinzen gekostet habe: Die Wirkung der „Bestrafung der Armenier" in Europa und Amerika sei katastrophal unterschätzt worden. 23.11.20 Die russische Sowjetregierung erklärt einen Monat nach der ersten noch inoffiziellen Forderung an das Ankara – Regime und nach dem Zerwürfnis mit ihm offiziell ihre Anerkennung der „Wilson – Linie" und ihre Unterstützung der „territorialen Integrität der Sowjetrepublik Armenien": Freudenfeste inmitten von Not und Elend in Kars und Jerewan. Die antiimperialistischen Allianz zwischen Bolschewiki und Kemalisten ist gesprengt: Armenischer Oktober - Panturkismusdrohung und Envers Aufstand in Baku - Kemals riskante Intrige … und ihr Verrat durch Lloyd George - Historische Gelegenheit für den Kreml. Als entscheidend für den Bruch zwischen Moskau und Ankara hat sich ihr Streit um Territorialkonzessionen in Westarmenien erwiesen. Das armenische Kalkül ist durch den Fortbestand der US – Grenzkommission und das Zerwürfnis zwischen Russen und Türken – in intimer Kenntnis letzterer - voll aufgegangen. Begünstigt wurde der Kurswechsel des Kreml auch dadurch, daß ihm die Amerikaner und Wilson, verglichen mit dem klassischen britischen und französischen Imperialismus und seinen Protagonisten, als das geringere imperialistische Übel gelten. Die quasi schiedsgerichtliche Fixierung der sowjetisch – türkischen Grenze auf Grundlage eines internationalen Mandats erhöht zudem ihre Sicherheit und Legitimation. Dezember 20 Türkische Gegenoffensive vor Kars – nach Abzug der meisten Einheiten der 11. Roten Armee – wird in erbittertem Widerstand der Armenier unter hohen türkischen Verlusten abgewehrt. Die Kämpfe müssen im hereinbrechenden Winter eingestellt werden. Die Türken ziehen sich wieder nach Sarikamish zurück. Paralleler Vorstoß der aufständischen Tataren aus Baku an die Kura wird von zurückverlegten Einheiten der 11. Roten Armee abgewehrt. Enver Pascha erklärt Baku zur „Hauptstadt von Turan", kann sein Regime, das alle Nichttürken terrorisiert, jedoch nicht über die Baku – Region ausdehnen und den Anschluß zentralasiatischer Turkvölker nicht gewinnen. Dezember 20 Das RevKom Armeniens dekretiert das Verbot konterrevolutionärer und antisowjetischer Aktivitäten, Organisationen und Presse. Das bolschewistische Innenministerium beginnt mit Verbot und Unterdrückung der bürgerlichen Ramkavaren: Exilbewegung nach Georgien. Alexandropol verliert seinen zaristischen Namen und wird wieder in Kumairi zurückbenannt. Dezember 20 In Sangesur Aufstand unter dem ehemaligen Kommandanten der Provinz Garegin Ter – Harutjunyan „Ndschdeh" (*1886 in Nachitschewan +1957 in Los Angeles) gegen den Terror tatarischer Besatzungstruppen der Roten Armee: Vertreibung der Okkupanten und Proklamation (im Januar) der Republik Lernahayastan (Bergarmenien). 19.12.20 Triumphaler Einzug König Konstantins in Athen nach Rückruf durch Plebiszit. „Konstantin, Konstantinopel, mit dir, oh Konstantin, ziehen wir in die Hagia Sophia ein!" Thronwechsel steigert das nationalistische Fieber. 25.12.20 Aufdeckung der „Karabekir Pascha – Verschwörung" im Hauptquartier Kemal Paschas, wohin der Oberbefehlshaber der nationalistischen Ostarmee mit seinen höchsten Offizieren gelockt wurde. Der Armenierschlächter Karabekir Pascha, angeblich schuldig der Meuterei und des gescheiterten Feldzugs gegen Armenien, wird zusammen mit seinen höchsten Offizieren umgehend abgeurteilt und hingerichtet. Kemal Pascha nutzt die Zerschlagung der sogenannten Verschwörung auch zur Säuberung der Nationalversammlung von seinen herausragenden Kritikern und Opponenten. Zeugen und Akten seiner Mitverantwortung für den Ostfeldzug läßt er systematisch beseitigen. Die türkische Ostarmee zerfällt in die Privatarmeen von Warlords, die aus Ankara unterwandert und von jeglichem Nachschub abgeschnitten werden. 1.1.21 Vertrag von Jalta (auf der Krim, im Livadia - Palast) 40 Tage nach der Fixierung der „Wilson border". Trilaterales Abkommen Sowjetrußland – Armenien – Türkei: Offiziell zur Novellierung und abschließenden Ergänzung der Bestimmungen des Vertrags von Moskau (24.8.20), dem Armenien beitritt. Außerdem auf „Vermittlung" Sowjetrußlands gegenseitige Anerkennung der „international fixierten und anerkannten" armenisch – türkischen Grenze in Übereinstimmung mit der „Wilson – Linie" (ohne Bezugnahme) zwischen dem sowjetischen Armenien und der nationalistischen Türkei. - Diese soll in der Räson des Kreml als Puffer gegen den westlichen Imperialismus erhalten bleiben. Die Türken sind – wie die Deutschen 1918 in Brest Litowsk – die besseren Imperialisten, der Entente vorzuziehen. Ankara und Jerewan nehmen keine diplomatischen Beziehungen auf. Kemal Pascha muß sich zähneknirschend mit den Bolschewiki arrangieren, zumal er auf die im Vertrag enthaltenen Waffen- und Materiallieferungen angewiesen ist: „Lieber würde ich mich erdrosseln lassen, aber wir müssen uns mit den Russen vergleichen, um die Griechen schlagen zu können." Führenden Nationalisten und Kurdenhäuptlingen versichert er, daß es sich um einen „katzenfreundlichen" Waffenstillstand handele, um zunächst die Griechen im Westen zu schlagen. Die gerade auf Linie gebrachte Nationalversammlung ratifiziert den Vertrag von Jalta umgehend (vgl. 17.10.20). – Der sowjetrussische Volkskommissar für Auswärtiges, Tschitscherin: „Die Türken wollten alle ihre armenischen Provinzen behalten, deshalb haben sie jetzt keine mehr." Das Rußland der roten Zaren erleidet Verluste, wo die Westmächte intervenieren: An der westlichen Peripherie. Andernorts bleibt es beim status quo ante und im Transkaukasus kann die Grenze (wie die Front im Weltkrieg) sogar vorgeschoben werden. Die Sowjetgrenzen in Vorder- und Zentralasien liegen auf gleicher Höhe der Breitengrade und Persien, der Iran, ragt wie eine Keilspitze nach Armenien. Nicht nur Großbritannien (Mesopotamien und Palästina) und Frankreich (Syrien und Libanon) stoßen im Orient infolge des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches vor, sondern auch das neue sowjetische Rußland: Nach Westarmenien. Die Türken verlieren nicht nur Arabien sondern auch Armenien – keine asiatische Grenze des Sultanreiches und keine europäische Grenze des Zarenreiches bleibt bestehen. 1921 Türken eröffnen in Anatolien systematische terroristische Fahndungskampagne nach Kryptoarmeniern, die insbesondere in den letzten Jahren zum Islam Abgefallene mit gräßlichen Folterungen und Morden trifft. Die letzten Armenier Anatoliens fliehen vor mörderischen Angriffen von Türken und Kurden aus der unzugänglichen Grenzregion Dersim nach Westarmenien oder werden – zurückgekehrte Deportierte und Genozidflüchtlinge - nach Syrien zurückgetrieben. Januar 21 In Pontus Errichtung eines offenen türkischen Terrorregimes durch den berüchtigten Osman Ağa, der von Kemal Pascha abfällt. Mörderische und räuberische Angriffe türkischer Soldateska auf die verbliebene griechische Bevölkerung, die aus Trapezunt und allen anderen Küstenorten vertrieben wird. Flucht der Pontusgriechen unter Führung des Metropoliten Chrysanthos ins Gebirge, wo, zusätzlich zu den Opfern türkischer Angriffe, Zehntausende Strapazen und Hunger erliegen. 4.1.21 Sultan Mehmet VI. weist den Botschafter Armeniens aus Konstantinopel aus. Ende mehrmonatiger offizieller türkisch – armenischer Beziehungen. 4.1.21 Großbritannien erkennt nach dem trilateralen Vertrag Armeniens mit Sowjetrußland und der nationalistischen Türkei (am 1. in Jalta) auf einen Bruch des Vertrages von Sèvres und erkennt die türkisch – armenische Grenze nicht an (1941 revidiert). 20.1.21 Budjonnys Verbände, von der Krim nach Ciskaukasien verlegt, nehmen in brillantem Vorstoß Baku ein – bei paralleler Bindung aufständischer Tataren durch die 11. Rote Armee vor Baku. Eilige Abreise Enver Paschas, dem es gelingt, über das Kaspische Meer nach Turkmenistan zu entkommen. Rotarmisten und Tschekisten unter Sergej M. Kirov – von Lenin zum Sekretär der tatarischen KP ernannt - beginnen blutige Abrechnung mit türkischen Nationalisten, von deren Niederwerfung der Kreml armenische Verbände ausgeschlossen hat. 28./29.1.21 Führer der türkischen KP werden bei Überfahrt in die Türkei von Kemalisten ermordet. Februar 21 Beginn der Operation sowjetrussischer und armenischer Kräfte zur Kontrollierung des Republikterritoriums durch die Sowjetmacht: Tatarenbanden und autonome Milizen, die „Mauseristen" – beide mit Zulauf und intensivierten Aktivitäten im letzten halben Jahr – werden bis in den Sommer aufgerieben. 16.2.21 Das Kaukasische Büro der KP der RSFSR in Moskau verfügt die Abtrennung Nachitschewans und Karabaghs als Autonomiegebiete unter die Oberhoheit der Tataren und fixiert die armenisch – tatarische Grenze leicht zu ihren Gunsten. Entgegen Signalen im Oktober verbleibt nur Sangesur als Korridor zwischen den tatarischen Autonomiegebieten bei Armenien. Der Kreml macht den Tataren trotz ihres Aufstandes Konzessionen unter Autonomieauflagen um nicht als zu proarmenisch zu erscheinen, die Wut der Tataren, die Wut der Turkmuslime allgemein, zu dämpfen und imperial über einen andauernden Konflikt zwischen Armeniern und Tataren wachen zu können. 16.2.21 Aus Armenien rückt die Rote Armee, nachdem die Tscheka einen Anlaß organisiert hat, in Georgien ein – auch um die Gefahr eines alliierten Brückenkopfes im Transkaukasus aufzuheben - und nimmt nach schweren Kämpfen am 25. Tiflis. März 21 Die armenische Sowjetregierung inhaftiert den Führer des Dezemberaufstandes in Sangesur, Ndschdeh, den „Retter Sangesurs", in Jerewan - auch auf Verlangen Moskaus. März 21 Frankreich und Italien, die „Lateiner", vergleichen sich, Rußland und Armenien (am 1.1.) folgend, mit der nationalistischen Türkei - resultierend im Abkommen von Ankara zwischen Frankreich und der Türkei (20.10.). März 21 Konferenz in Kairo: Unter Federführung Kolonialminister Churchills, T.E. Lawrence und Gertrude Bells Einrichtung haschemitischer Klientelstaaten - Iraq und Transjordanien – die zu unteilbaren Einheiten erklärt werden. Zusage einer assyrischen Heimstatt im „Assyrian Triangle" der Provinz Mossul damit revidiert: Reaktion auch auf den „Armenischen Oktober" und den daraus abzusehenden sowjetrussischen Vorstoß an die Schwelle Mesopotamiens. Die Autonomie Assyriens könnte Basis sowjetischer Einflußnahme werden und die britische Position im Orient entscheidend destabilisieren 2.3.21 Aufstand der Matrosen in Kronstadt, der von der Roten Armee unter Trotzkij niedergeschlagen wird (am 17.3). 4.3.21 Die USA brechen unter dem neuen republikanischen Präsidenten Harding die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetrepublik Armenien umgehend ab. 15.3.21 L´Opération Némésis: Soghomon Thelirian (*1897 in Westarmenien +1960 in San Francisco) erledigt in Berlin Talaat Pascha, wird festgenommen – und freigesprochen (3.6). 18.3.21 Georgien: Nach Waffenstillstand und Ende des offenen Widerstandes gegen die Rote Armee Exil der republikanischen Regierung auf italienischem Schiff. April 21 Die Rote Armee besetzt Lasistan (im November von Türken besetzt). Befreiung Pontus´ aus türkischer Umklammerung und Kappung der jahrhundertealten assimilatorischen Beziehung der Lasen zum Türkentum. Die Lasen können in der entstehenden Lasenrepublik ihre kaukasische nichttürkische Identität bewahren. 18.4.21 Das Kaukasische Büro der KP der RSFSR in Moskau proklamiert die mit Georgien assoziierte Lasische Sozialistische Sowjetrepublik. Zudem Fixierung der Grenze zwischen Armenien und Georgien: Die armenisch besiedelte Provinz Javakhk verbleibt bei Georgien, Armenien werden aber die ebenfalls umstrittenen Provinzen Lori (zuvor neutral) und Ardahan (wo es armenische Siedlung gab – aber keine nennenswerte georgische Siedlung gibt) zugesprochen – auch um seine freiwillige Sowjetisierung zu belohnen. 18.4.21 Landung der Roten Armee bei Trapezunt – auf den Tag fünf Jahre nach der Einnahme der Stadt durch die zaristische Armee General Nikolaj Judenitschs (1862 - 1933). Die Rote Armee schlägt die Militärbanden des türkischen Warlords Osman Ağa, der auf der Flucht von seiner Soldateska ermordet wird und befreit Pontus vom türkischen Terrorregime. 25.4.21 Eröffnung des Feldzuges zur Befreiung Westarmeniens durch die armenische Volksarmee unter dem Kommando des Verteidigungsministers General Dro (1883 – 1956) - der als Befreier Westarmeniens seinen Ruhm als Nationalheld noch mehren kann - und die verstärkte, aus Georgien zurückverlegte 11. Roten Armee unter dem Kommando des legendären Reitergenerals Budjonny (1883 – 1973). (Zweite) Schlacht bei Sarikamish: Armenier und Russen durchbrechen – auch unter Einsatz von den Weißen erbeuteter britischer Tanks - die Front türkischer Militärbanden im ersten konzentrierten Angriff an ihrer neuralgischen Stelle, nehmen ihre Verfolgung auf und reiben sie, sofern sie nicht entkommen, auf. „Große Flucht" (nach der „Kleinen Flucht" im Weltkrieg) von 1 Million Kurden und Türken - darunter neu angesiedelte „Glaubensflüchtlinge" vom Balkan und viele Plünderer und Besetzer von Gut und Land ermordeter Armenier - in den nationalistischen Machtbereich. Armenische Truppen attackieren Flüchtlingstrecks von Türken und Kurden erbarmungslos und metzeln Zehntausende nieder. Sarikamish, wo sechs Jahre zuvor ein ganzes Türkenheer unterging, wird zum Fluch der Türken. 25.4.21 Tagesbefehl General Dro´s: Kein Türke und kein Kurde könne nach dem, was geschehen sei, in Armenien bleiben. Intern: „Wir lechzen nach Türkenblut – jetzt werden wir unseren Durst stillen." Mai 21 Beendigung des „Siebenjährigen Transkaukasischen Krieges" in seinem letzten Kapitels des nie erklärten sowjetisch – türkischen Krieges: Das revolutionäre Szenarium aus äußerem Anlaß nach dem Modell Ungarn/Bèla Kun ist in Armenien erfolgreich, weil Moskau dort – anders als in Budapest – intervenieren kann. Die Einnahme Westarmeniens durch die Rote Armee und die armenische Volksarmee ist die erfolgreichste Befreiung vom Islam seit der Reconquista. Türken und Kurden verlieren über 100 000 Qkm Siedlungs- und Ausbeutungsgebiet … die gräßliche Wahrheit aber ist die, daß Westarmenien ohne den Genozid nicht befreit worden wäre. In Westarmenien Beginn der systematischen Zerstörung architektonischer und schriftlicher Zeugnisse der Türkenherrschaft – bei paralleler Aufnahme der Ausgrabung und Freilegung urartäischer, also ur- bzw. präarmenischer Festungen in ganz Armenien zur Unterstreichung des legitimen Anspruchs auf das Territorium der Republik. Mai 21 Das RevKom verfügt die Rücksiedlung der 200 000 überlebenden Westarmenier im Osten und beschließt ein Siedlungsprogramm für Westarmenien unter strategischen, infrastrukturellen und demographischen Direktiven - insbesondere gegen die Gefahr der Slawensiedlung in dem verwüsteten und entvölkerten Land. Kommunisten und Daschnaken betreiben zudem eine systematische, fast zur Staatsdoktrin entwickelte Propaganda um die 1917 publik gewordenen Slawensiedlungspläne des zaristischen Regimes, um analoge Gedankenspiele in Moskau als „zaristisch" und „weißgardistisch" zu diskreditieren. Mai 21 Beginn des Exodus der „Großen Rückkehr" Zehntausender Pontusgriechen aus Georgien, von der Krim und aus Südrußland nach Pontus und Abstieg der Überlebenden aus dem Gebirge unter Metropolit Chrysanthos – während die in Pontus verbreiteten Kryptochristen in aller Form von Islam und Türkentum abfallen (einschließlich vieler Pseudokryptochristen). Mai 21 „Levies´ Mutiny": Aufstand aramäischer Hilfstruppen in der Region Bagdad gegen die Verweigerung eines Autonomiegebietes in der Provinz Mossul. Die Briten schlagen die Rebellion auch durch den Einsatz der Royal Air Force nieder und stationieren Teile der Indischen Armee im Iraq. Im Iraq Gründung der ersten KP des Orients, die - unter dem Eindruck des Präzedenzfalls Armenien - von Aramäern dominiert wird und unter ihnen große Anhängerschaft gewinnt. Umgehendes Verbot durch das royalistische britische Klientelregime und Abdrängung in den Untergrund. 6.5.21 Einnahme von Erzurum durch russisch – armenischen Verband, der von Luftaufklärung unterstützt wird. 16.5.21 Angriffe türkischen Mobs auf armenische Viertel in Konstantinopel, die von britischen und französischen Einheiten mit Waffengewalt rigoros unterbunden werden. Das Faszinosum des verhinderten Armenierpogroms am 16. Mai – oder: Einmal wird dem mörderischen Türkenmob energisch in das Gemetzel gefahren. 17.5.21 Armenischer Verband unter General Dro nimmt Van ein und legt die verlassenen türkischen und kurdischen Viertel in Schutt und Asche. Kurdischer Flüchtlingsstrom aus Südwestarmenien ergießt sich bis nach Mossul und Kirkuk, wo er in blutigen Zusammenstößen mit den eingeborenen Aramäern, Arabern, Turkmenen – und Kurden - eingedämmt wird (August 21). 21.5.21 Russisch – armenische Streitkräfte schließen durch die Einnahme Erzindschans – und den anschließenden Vorstoß an die Türkengrenze - die Befreiung Westarmeniens, 407 Jahre nach seiner Eroberung durch Sultan Selim I., ab. 3.6.21 Niederbrennung des verlassenen Türkenviertels von Trapezunt durch gerade eingetroffene armenische Truppen und zurückgekehrte Pontusgriechen. Pontische Milizen und armenische Truppen vertreiben nach der Flucht der Türken die mit ihnen kollaborierenden Lasen aus Pontus, wo es damit offiziell keine Muslime mehr gibt. - Zwischen Armeniern und Pontusgriechen Stahlband des Antigenozids. 3.6.21 Die armenische Sowjetregierung beschließt Autonomiestatut für Pontus, erkennt die Sowjets in Pontus – wo es nur eine Partei, die Bolschewiki, gibt – an und fixiert die Grenze zwischen Armenien und Pontus. In der Autonomierepublik Pontus am Schwarzen Meer (etwa so groß wie der Libanon), existiert das Schwarzmeergriechentum fort - konzentriert in Trapezunt, der „Stadt der Griechen" (aus Milet, 756 v. Chr.) mit nichtgriechischem Hinterland wie Alexandria in der Antike, die nach 460 Jahren befreit wird. Dort, wo sich der letzte vormoderne griechische Staat, das letzte griechische Kaisertum befand, existiert die größte griechische Diaspora. 21.6.21 König Konstantin übernimmt in Smyrna den Oberbefehl über die griechische Armee in Kleinasien und richtet an Armenien die Forderung eines Referendums in Pontus. Kemal Pascha übernimmt offiziell den Oberbefehl über das Türkenheer in Kleinasien. Juli 21 Das türkische Autonomiegebiet in der Provinz Ardahan (von Georgien im Februar abgespalten) unterwirft sich auf Ultimatum der Sowjetmacht. Juli 21 Lasenbanden vertreiben die verbliebenen Pontusgriechen aus Lasistan, dem antiken Kolchis. Nach der Vertreibung der Lasen aus Pontus damit faktischer „Bevölkerungsaustausch" zwischen Pontusgriechen und Lasen. 10.7.21 Beginn des griechischen Feldzugs zur Niederwerfung der türkischen Nationalisten. König Konstantin: „Auf nach Ankara!" (15.8.). 28.7.21 L´Opération Némésis: Missak Torlokian erledigt in Konstantinopel den ehemaligen Innenminister der Tataren, hauptverantwortlich für den Pogrom in Baku (Sept. 18). 15.8.21 Am 460. Jahrestag des Falls Trapezunts Sprengung der Gulbahar Hatun Moschee, des bedeutendsten osmanischen Bauwerks der Stadt. 23.8. – 13.9.21 Bei der Offensive der Griechen auf Ankara Schlacht am Sakarya ohne Entscheidung. Kemal Pascha erhält den Ehrentitel „Ghazi" (Glaubenskämpfer). 20.10.21 Am Jahrestag der Proklamation der Sowjetrepublik Armenien Wahl des Republiksowjets: Bolschewiki unterliegen Daschnaken und rangieren lediglich vor Nationaldaschnaken und Hundschaken. Seit Mitte des Jahres - zu den Wahlen intensiviert und nach Ausschaltung bürgerlicher Kräfte - systematische Übergriffe der bolschewistisch dominierten Polizei auf rechte Daschnaken und Hundschaken unter Anwendung des Dekrets zum Schutz der Sowjetmacht und der Revolution. 20.10.21 Vertrag von Ankara zwischen Frankreich und der nationalistischen Türkei. Fixierung der Grenze zwischen der Türkei und Syrien, die im Vergleich zu Sèvres zugunsten der Türken korrigiert wird, denen auch formal der Besitz von Urfa (Edessa) und Marasch bestätigt wird. Der Sandschak Alexandrette - mit dem gleichnamigen Hafen, Antiochia (arab. Antakya), dem Mündungsgebiet des Orontes und dem Mosesberg - verbleibt, mit Sonderverwaltungsstatus, bei Syrien. Dezember 21 Armeniens Sowjetkongreß lehnt - nach Intervention Moskaus – in erster Abstimmung angenommene Entschließung zur Verlegung der Hauptstadt von Jerewan nach Erzurum ab. Dezember 21 Der kilikische Katholikos Sahak II. (*1849, Katholikos 1902 – 1939) verläßt Adana und damit Kilikien, als die Franzosen die kilikische Ebene räumen und sich aus Tarsus zurückziehen. 5.12.21 L´Opération Némésis: Archavir Chirargian erledigt in Rom den aus der Internierung auf Malta entlassenen Großwesir Said Halim Pascha. Winter 21/22 Kurdische Nomaden in Westarmenien, die erneut das traditionelle Winterquartier (kischlak) erzwingen wollen, werden von Siedlermilizen und Regierungsverbänden gehetzt und niedergemetzelt. Winter 21/22 König Konstantin, zurück in Athen, verkriecht sich in seinem Palast. Schwere Krise der notleidenden und überstrapazierten Armee in Kleinasien. Antikriegsproteste im europäischen Griechenland. 1922 Sowjetische Rechtschreibreform in Armenien - die Diaspora hält dagegen an der alten Rechtschreibung nach Mesrop Mashtots fest. Parallel wird das Ostarmenische zur Amtssprache Armeniens erklärt: Das Westarmenische wird in Westarmenien - anders als in der Diaspora Europas, Amerikas und des Nahen Ostens – zur Volkssprache und zum Dialekt. 1922 In Pontus neben sozialrevolutionärer Enteignung von Bankiers und Kaufmannsdynastien Eröffnung einer „antifeudalistischen" Kulturrevolution in Reaktion auf den Genozid durch die Türken. Systematischen Reinigung von Sprache und Gebräuchen der Pontusgriechen – des am stärksten turkisierten Zweiges des Griechentums - von den in Jahrhunderten eingeflossenen türkischen Elementen und Zerstörung der architektonischen und schriftlichen Zeugnisse der Türkenherrschaft. Der nichtprivate Gebrauch des Türkischen – noch Sprache vieler griechischer Christen – wird generell verboten. Parallele Betonung des Hellenismus durch Antikisierung lokaler, geographischer und topographischer Bezeichnungen sowie archäologische Unternehmungen. 1922 Genozidbilanz: Ein Drittel der armenischen Nation – die die Hälfte ihrer historischen Heimat verloren hat – ist ermordet worden. 12.3.22 Armenien - mit Georgien und Transkaukasisch Tataristan - Mitglied der Transkaukasischen Sozialistischen Föderalen Sowjetrepublik. Beitritt unter massivem Druck des Kreml, der mit Aufrollung der Grenzziehung zur Türkei und zu Georgien droht. 17.4.22 L´Opération Némésis: Archavir Chirargian und Aram Yerganian erledigen in Berlin den Türkengouverneur Trapezunts während des Genozids und einen anderen türkischen Verbrecher. 26.4.22 Bolschewistischer Putsch in Jerewan gegen „reaktionäre Verschwörung" zur Bildung eines RevKom ohne Bolschewiki. Devise der Bolschewiki: „Kein zweites Baku!" (1918 Verdrängung aus dem dortigen Sowjet). Dagegen Widerstand durch Teil der Garnison und Daschnak – Aktivisten, deren Führung der nach 1 Jahr aus dem Gefängnis befreite Kommandant Ndschdeh übernimmt. Das bolschewistische RevKom setzt sich erst nach dem Eingreifen der Roten Armee in dreitägigen Kämpfen durch. Anschließend Auflösung des „antiproletarischen" Sowjetkongresses und Verbot der nichtbolschewistischen Parteien. Verfolgungswelle gegen Daschnaken unter der Ägide des Volkskommissars Nurijanyan (1896 – 1937): Bolschewiki begleichen offene zweijährige Rechnungen. - Schärferes Vorgehen gegen die vielen Sabotageakte an Munitions- und Waffentransporten in die Türkei (auf Anordnung Moskaus). Daschnakenexodus – mit offensichtlicher Duldung des bolschewistischen Regimes – nach Persien, u.a.: Ex - Ministerpräsident Vratsyan, ex – Parlamentspräsident Aharonyan, Ndschdeh. 7.6.22 Griechen beschießen Samsun unter anderen mit ihrem Flaggschiff Georgios Averof. 21.7.22 L´Opération Némésis: Stepan Dzaghigian, Petros Ter – Porossyan und Artasches Geworgyan erledigen in Tiflis den osmanischen Marineminister Cemal Pascha. 30.7.22 Smyrna: Hochkommissar Aristidis Stergiadis proklamiert den Freistaat Ionia zur Stabilisierung der immer mehr bedrohten griechischen Position in Kleinasien. 4.8.22 Enver Pascha wird im Gefecht gegen armenische Brigade aus Karabagh unter dem Rotgardisten Hakob Melkumjan (1885 – 1962) in Zentralasien erledigt. Die rächende Bestrafung des jungtürkischen Triumvirats Enver – Cemal – Talaat ist damit vollstreckt. 30.8.22 Vier Tage nach Beginn türkischer Großoffensive Zusammenbruch der griechischen Kleinasienfront. Türkische Kavallerie wütet im Hinterland. Die Stellvertreterfeldzüge Großbritanniens – durch die Weißen gegen die Bolschewiki in Rußland, durch die Griechen gegen die Kemalisten in Kleinasien – sind damit beide vernichtend geschlagen worden. September 22 Die Türken machen bei der Eroberung Ioniens Zehntausende „Gefangene" – griechische und armenische Zivilisten – die sie in Zwangsarbeitsbataillone stecken und ins Landesinnere verschleppen, wo sie zugrunde gehen oder ermordet werden. September 22 Empörung in den USA über die Schändung des Grabes des US – Kriegshelden George Dilboy (1896 – 1918) in Alatsata vor Chios durch türkische Soldateska. Präsident Harding entsendet Kriegsschiff – wirkungslos wegen Chanak Incident. Die Affäre prägt das US – amerikanische Türkeibild nachhaltig und negativ. 5.9.22 Griechische Truppen stecken die türkische Kleinstadt Kasaba in Ionien, die von der Landkarte verschwindet, in Brand. 9.9.22 Türken fallen in Smyrna („Giaur Izmir") ein. Beginn von Plünderungen und Metzeleien an der griechischen und armenischen Bevölkerung, die 100 000 Mordopfer fordern. Der Metropolit Chrysostomos wird vom Türkenmob bestialisch ermordet. 10.9.22 Türken nehmen Bursa ein. 13.9.22 Brand von Smyrna – der fünf Tage anhält und in dem binnen 24 h 50 000 Häuser und 24 Kirchen vernichtet werden. Statt des Wiedereinzugs in die Hagia Sophia und der Wiedererrichtung des Byzantinischen Reiches geht in der totalen militärischen Niederlage in Anatolien und dem Inferno des Brandes und Untergangs des alten Smyrnas auch die megali idea unter. „Kemal celebrated his triumph by transforming Smyrna into ashes and by slaughtering the whole of the indigenous Christian population." Churchill 13.9.22 Nationalistische türkische Verbände rücken in die Internationale Zone ein: Triumphalismus zum einen - Taktik zur Verdrängung der Briten und zur Revision Sèvres´ zum anderen. Empörung in Großbritannien über die Unverfrorenheit der ´Neuen Türken´. 15.9.22 Sitzung des britischen Kabinetts, das insbesondere auf Drängen Kolonialminister Churchills beschließt: 1. Ein Abzug aus Konstantinopel ohne türkische Gegenleistung kommt, auch aus Gründen des Prestiges des Britischen Weltreiches – gerade vor dem Hintergrund des Einsatzes der Russen für ihre Klienten, die Armenier - nicht in Frage (es besteht bereits eine Systemkonkurrenz zu Sowjetrußland). 2. Dem türkischen Zugriff auf die Schlüsselposition Çanakkale ist Widerstand zu leisten, es handelt sich dabei um den casus belli für das Empire. 3. Verhandlungen mit den Türken sind ausgeschlossen, solange sich türkische Verbände in der Internationalen Zone aufhalten. Die britische Entschlossenheit gegen die Türken wird durch deren Verlust Armeniens gestärkt, der sie erheblich geschwächt und beträchtlichem russischem Druck ausgesetzt hat, zudem ihr Einvernehmen mit den Russen, trotz andauernder materieller Unterstützung durch sie, ruinierte. 19.9.22 Abzug des französischen Verbandes aus Çanakkale auf Weisung Ministerpräsident Poincarés in Reaktion auf britische Kriegsdrohung. Kanada kritisiert die Kriegsdrohung des Londoner Kabinetts ohne Konsultation der Dominions und weist automatische Gültigkeit britischer Kriegserklärung zurück. 20.9.22 Lord Curzon in Paris. Zerwürfnis in der Orientpolitik zwischen Großbritannien und Frankreich. 23.9.22 Nationalistische türkische Verbände vor Çanakkale an den Dardanellen, in dem eine kleine britische Besatzung, unweit der Ruinen von Troja, stationiert ist: Ausbruch der Chanak Crisis. 27.9.22 König Konstantin I. dankt auf Druck der Armee - die auf Chios ein „Revolutionskomitee" gebildet hat - zugunsten seines Sohnes Georg II. ab und begibt sich ins Exil nach Sizilien. 27.9.22 General Harington, britischer Oberbefehlshaber in Konstantinopel – der vom Londoner Kabinett beauftragt wird, den Türken ein Abzugsultimatum zu stellen - meldet den vorsichtshalber erzwungenen Abzug der griechischen Flotte vom Bosporus. 28.9.22 Revolutionstruppen ziehen in Athen ein und fordern die Bestrafung der Schuldigen an der „Kleinasiatischen Katastrophe". Die Militärjunta auf Chios erklärt sich zur Regierung. Venizelos lehnt ihre Leitung ab, übernimmt aber die äußere Vertretung Griechenlands. 28.9.22 Zusammenstoß zwischen Briten und Türken - Ursache und Urheber umstritten - vor Çanakkale. Ein Zweites Navarino nach 95 Jahren. Der seidene Faden des Nichtkrieges zwischen Briten und Türken ist doch noch gerissen und das riskante Manöver Kemal Paschas, mit dem das Einlenken Großbritanniens provoziert werden sollte – Konstantinopel zu gewinnen ohne substantielle Gegenleistung – gescheitert. 29.9.22 Die Briten müssen sich vor der türkischen Übermacht aus Çanakkale auf Schlachtschiffe zurückziehen. Die Türken besetzen die Stadt und nehmen mehrere Husaren und Infanteristen gefangen. 30.9.22 Großbritannien erklärt der Türkei – offiziell der Nationalversammlung in Ankara - den Krieg und verhängt eine Seeblockade über Kleinasien. Damit faktische Intervention der Briten in den Krieg zwischen Griechen und Türken. Die englischen Massenblätter überschlagen sich vor Empörung - „Revenge for Chanak!" – und beschäftigen sich ausführlich mit dem Wüten der Türken in Smyrna. Agitation mit Vendettazügen gegen den „Schlächter" Kemal mit dem es – wie 7 Jahre zuvor – zum bewaffneten Zusammenstoß an den Dardanellen kommt. Scharfmacher der Kriegspartei ist Kolonialminister Churchill. Okt./Nov. 22 Intensive Aktivität der französischen Diplomatie, um die Eskalation des Krieges zwischen Großbritannien und der Türkei - wegen der Gefahr eines resultierenden offenen Bruchs zwischen Großbritannien und Frankreich - zu verhindern. Die direkte Parteinahme der Briten gegen die französische Kontinentalpolitik würde nicht aufgewogen durch die Konzentration britischen Engagements im Orient. Im Londoner Kabinett und der britischen Öffentlichkeit herrscht bereits eine antifranzösische Stimmung: Man gibt den Franzosen, die aus Çanakkale abgezogen sind, die Schuld an der Ermutigung der Türken, am Krieg mit ihnen, man bezichtigt sie sogar der Komplizenschaft. Okt./Nov. 22 Hemingway wird durch Reportagen aus Konstantinopel für The Toronto Daily Star erstmals bekannt. Oktober 22 Kemal Pascha verzichtet auf das Vorrücken auf Konstantinopel und die Landung auf Gallipoli und erteilt seinen Agenten in der Stadt strikte Weisung „Zwischenfälle" – oder gar einen Aufstand – mit allen Mitteln zu verhindern, um nicht in eventuell fataler Weise unter Zugzwang gesetzt zu werden. 1.10.22 Die Briten beginnen unter Oberst Colin Ballard, dem Polizeichef von Konstantinopel, mit der Aufstellung von Verbänden aus Wrangels Weißer Armee, der Allied Militia (etwa 40 000 Mann). Die Royal Navy konzentriert Artillerie am Bosporus und nimmt den Transport der geschlagenen griechischen Kleinasienarmee auf die Halbinsel Gallipoli (europäische Seite der Dardanellen) auf. Damit de facto britisch – griechisches Kriegsbündnis gegen die Gefahr der Vertreibung aus Konstantinopel. Frankreich und Italien verlassen das Alliierte Kommissariat. 2.10.22 Admiral Calthorpe (1864 – 1937) wird aus Portsmouth zurückberufen und erneut zum Alliierten Hochkommissar ernannt (wie bis Juli 19, Diplomat Rumbold nur noch geschäftsführend) – diesmal sine collega: Signal der Entschlossenheit an die türkischen Nationalisten. Auf Churchills Vermittlung nimmt T.E. Lawrence Posten im Kriegsministerium an. Er schreibt in der Sunday Times: „Die Franzosen haben sich nach ihrem ersten Zusammenstoß mit den Türken zurückgezogen. Wir haben ihnen den Krieg erklärt." 3.10.22 Australien und Neuseeland rufen aufgrund der britischen Kriegserklärung Freiwillige zur Aufstellung einer Expeditionsstreitmacht auf. Im Gegensatz dazu lediglich formale Hilfe für das Vereinigte Königreich und parlamentarische Bestätigung seiner Kriegerklärung durch die anderen Dominions Südafrika (5.) und Kanada (7.) – durch das Unterhaus in Ottawa erst, nachdem Premierminister Mackenzie King versichert hat, daß sie lediglich symbolisch zu verstehen sei. 3.10.22 Royal Air Force im Iraq eröffnet den ersten militärischen Lufttransport: Verlegung von Sikh – Verbänden der Indischen Armee aus der Region Bagdad nach Mossul und Kirkuk gegen türkische und kurdische Angriffe. Statt einer Türkeninvasion der Provinz Mossul bleibt es bei Scharmützeln im Grenzgebiet: Kemal Pascha will Eskalation des Krieges gegen Großbritannien vermeiden und kann sich nach dem fehlgeschlagenen Feldzug gegen Armenien kein erneutes Abenteuer im Osten leisten. 9.10.22 Sultan Mehmets VI. Leibgarde wird von den Briten im Handstreich entwaffnet, der Sultan vor einer Kriegserklärung – die ihn jeden Schutzes gegen die Nationalisten beraube - inoffiziell gewarnt. Intensive britische Propaganda unter indischen Muslimen vom „Krieg gegen die Feinde des Kalifen", die türkischen Nationalisten – gegen die Gefahr, insbesondere bei Kriegserklärung, einer Reaktivierung der Khilafat – Bewegung für das Kalifat und gegen die Aufteilung des Osmanischen Reiches, die Gefahr eines muslimischen Aufstandes, eines „Heiligen Krieges" auf dem Subkontinent. 10.10.22 Griechische Truppen unter General Pangalos rücken auf britische Aufforderung hin bis auf drei Meilen unter die Wälle Konstantinopels vor. Großbritannien erklärt die Operation zur Schutzmaßnahme gegen nationalistischen Überfall auf die Stadt und warnt ihre türkischen Bewohner (Hinweis auch auf geltendes Kriegsrecht von 1920) und Kemal Pascha offiziell vor Aufstand bzw. Angriff. - Das Risiko eines Aufstands in Konstantinopel gegen das Vorrücken der Griechen nehmen die Briten – ohne effektive Alternative gegen einen Handstreich Kemals, dem sie nicht trauen – in Kauf. 10.10.22 Royal Navy stoppt vor Marmaris an der südwestkleinasiatischen Küste italienischen Frachter „Gabbiano" durch Schuß vor den Bug. 11./12.10.22 Royal Navy kämpft in Artillerieduell, unterstützt von griechischer Artillerie auf Gallipoli, die türkischen Küstenbatterien von Çanakkale nieder und legt das Städtchen in Schutt und Asche, um anschließend die Dardanellen zu durchstoßen und am Bosporus zu ankern – im Unterschied zu 1915 kontrollieren die Briten die Halbinsel Gallipoli und die Fahrrinne ist frei von Seeminen. – Zudem Einsatz der Royal Air Force gegen die Türken in Çanakkale von der Royal Ark, dem ersten Flugzeugträger. Von den Briten wird der Kampf zur siegreichen und vergeltenden „Battle of Chanak" erklärt – Triumphgeheul englischer Massenblätter. Die Türken hingegen erklären Çanakkale zur Heldenstadt, die einer britisch – griechischen Landung in Anatolien widerstanden habe. 13.10.22 „Hippodrom – Massaker": Nach dem Freitagsgebet in der Hagia Sophia aufrührerische Versammlung tausender fanatischer Türken am Hippodrom, unweit des Topkapi – Palastes. Zerstreuung durch britische Gardesoldaten und Gurkhas, die in sie hineinfeuern: 300 Tote. Admiral Calthorpe (seit drei Tagen in der Stadt): „The Turks put us to the test." 14.10.22 Konstantinopel: Nach dem Beginn von Feuerüberfällen und einem Bombenanschlag auf britische Soldaten droht Admiral Calthorpe den Türken ultimativ damit, Griechen und Armenier zu bewaffnen und die griechische Armee in die Stadt zu lassen, sollten sie nicht wieder Ruhe geben. Der Admiral läßt die russischen Söldner von der Leine, die in einer dreitägigen Vergeltungsaktion Hunderte Türken töten und Tausende aus der Stadt vertreiben. - Die britische Militärverwaltung in Konstantinopel kann ihre Krise überwinden und die Kontrolle ohne weitere „Zwischenfälle" aufrechterhalten. Die Türken haben in der Nachkriegszeit unter den Russen zu leiden: Unter den Roten in Pontus und Armenien, unter den Weißen in der Polis. 28.10.22 Marcia su Roma. Faschistische Schwarzhemden beginnen mit dem Marsch auf Rom. November 22 Erstmals Thematisierung des britisch – weißrussischen Militärregimes in Konstantinopel als Beispiel für den häßlichen britischen Imperialismus durch die Propaganda der Sowjets – gefolgt von Nationalsozialisten, Faschisten und Zionisten und der Zitierung durch Gandhi, Peron und Nasser. 6.11.22 Britische Admiralität setzt per Funkspruch an Geschwader der Royal Navy, das mit abgedeckten Geschützen vor Samsun ankert, die Beschießung und Zerstörung der Stadt aus. 9.11.22 Waffenstillstand von Imrali (im Marmarameer) nach 40tägigem Krieg – auf französischen Einfluß hin. Britische Truppen besetzen die Meerengenzonen der Dardanellen und des Bosporus: Abzug der unwilligen Griechen vor Konstantinopel. Die Türken übergeben umgehend ihre britischen Gefangenen. Seeblockade Kleinasiens vom Waffenstillstand unberührt. Vereinbarung eines Friedenskongresses in Venedig. Die Briten wollen keinen Krieg in Anatolien führen und Kemal Pascha will Konstantinopel nicht angreifen, das er gegen das Britische Weltreich entweder nicht nehmen oder nicht halten kann. 12.11.22 Besetzung Çanakkales durch britisches Garderegiment, das in seinen Ruinen den Union Jack hißt. Filmbericht für britische Kinowochenschau. Churchill (erster öffentlicher Auftritt nach fast vierwöchiger Erholung von Blinddarmoperation): „Dieser anatolische Räuberhauptmann wollte uns hinausbluffen. Ist ihm nicht gelungen." Kemal Pascha läßt einige Mitwisser seines gescheiterten „Çanakkale – Bluffs" beseitigen. Der Vorstoß wird von der kemalistischen Propaganda als erfolgreicher Präventivzug gegen einen britischen Feldzug in Anatolien dargestellt. Der parallele Abzug der Griechen vor Konstantinopel wird von den Türken zu ihrem Waffenstillstandserfolg erklärt. Mitte Nov. 22 Empörung in Großbritannien nach Berichten freigelassener britischer Kriegsgefangener über schwere Mißhandlungen und Morde in türkischer Gefangenschaft. 19.11.22 Rücktritt Lloyd Georges nach Abstimmung im Carlton Club. Bonar Law bildet Kabinett, in dem Lord Curzon Außenminister bleibt. Im Dezember Unterhauswahlen: Politische Epochenwende. 28.11.22 Der Oberbefehlshaber der Kleinasienarmee und fünf royalistische Minister – „Die Sechs" - werden nach militärgerichtlichen Todesurteilen in Athen wegen Schuld an der „Kleinasiatischen Katastrophe" auf den Rat Venizelos und die Intervention des britischen Botschafters hin in allerletzter Minute zu lebenslanger Haft begnadigt. 1.12.22 Die türkische Nationalversammlung hebt das Sultanat – Anlaß ist die Einladung einer Delegation des Sultans zum Friedenskongreß nach Venedig - auf. Mehmet VI. bittet darauf um die Evakuierung aus Konstantinopel. Die Briten schützen ihn zwar gegen die Nationalisten, behalten ihn aber vorerst als eventuelles Druckmittel und Trumpfkarte gegen das Ankara – Regime in der Stadt. 20.12.22 Eröffnung der Orientkonferenz in Venedig durch den neuen italienischen Ministerpräsidenten Mussolini. Teilnehmer: Italien, Großbritannien, Australien, Neuseeland, Südafrika, Kanada, Griechenland, Türkei, Frankreich, Bulgarien, SHS – Staat, Japan, eingeschränkt: Sowjetrußland. Direktive Kemal Paschas an die türkische Delegation: Einzug in Konstantinopel, seine Wiedergewinnung, ist oberstes Ziel aufgrund der geostrategisch und historisch überragenden Bedeutung der Stadt. Venizelos, der aus dem Exil in Paris nach Venedig reist, vertritt Griechenland. 21.12.22 Beginn der Verhandlungen der Orientkonferenz in Venedig. Diametraler Gegensatz: Die Griechen wollen ihre territorialen Gewinne aus Sèvres vollständig bestätigt, die Türken sie vollständig revidiert sehen. Großbritannien legt den „Curzon – Plan" vor: Tausch Ioniens (Streichung des für 1925 geplanten Referendums) gegen Ostthrakien, Beschränkung internationaler Verwaltung auf die Passage der entmilitarisierten Meerengen, Minderheitenrechte in Konstantinopel und in Westthrakien. Das Projekt einer autonomen Kurdenrepublik innerhalb der Türkei östlich des Euphrats wird, wie schon das eines aramäischen Staates in der Provinz Mossul (Rote Armee am Van See) ad acta gelegt. Ionien für Ostthrakien: Angesichts des neuen Machtfaktors Sowjetrußland ist die türkische Kontrolle über das Vorfeld der Meerengen und Konstantinopels einer griechischen vorzuziehen, während Ionien im Besitz der verbündeten Griechen Gegengewicht und Brückenkopf zu Westarmenien im Besitz russischer und armenischer Bolschewisten ist – so die britische Geostrategie. Das britische Prestige, das Prestige eines Weltreiches, erfordert es zudem, analog des Kabinettsbeschlusses vom 15. September und zumal nach dem Gemetzel in Smyrna, dem „Chanak Incident" und der Kriegserklärung an die Türkei, für einen Abzug (aus Konstantinopel) einen Gegenabzug (aus Smyrna) zu erzielen, die verbündeten Griechen – gerade vor dem Hintergrund des Einsatzes der Russen für die Armenier – nicht leer ausgehen zu lassen und die Türken zu bestrafen, was eher durch den Abzug aus Ionien als durch Verweigerung Ostthrakiens zu vollziehen ist. Großbritannien gefällt sich außerdem in der Rolle des imperialen Schiedsrichters zwischen Türken und Griechen und die britische Regierung und ihre Delegation stehen unter dem Druck der Massenblätter. Die revisionistische Feindschaft der Türken ist damit zwar garantiert, sie verfügt aber über keinen effektiven Verbündeten und ist nach dem Verlust Armeniens und Ioniens substantiell geschwächt. Den Griechen, in Kleinasien vernichtend geschlagen, bleibt trotzt des endgültigen Verlusts Konstantinopels nichts, als sich den britischen Direktiven zu fügen. 30.12.22 Armenien tritt in Fusion mit Pontus als Mitglied der TSFS der Sowjetunion bei. Die armenische KP gewinnt durch die Abwehr der Türkeninvasion und die Befreiung Westarmeniens die Unterstützung der Nation, integriert sie in ihr Regime und versteht es, die Sowjetmacht und ihre Kampagnen – Konsequenz aus dem Genozid – für das nationale Ziel einer geschlossenen wehrhaften Heimstatt zu instrumentalisieren und gegen die verbliebenen Kurden und Türken zu richten. Armenier sind logisch freiwillige Kollektivbauern und überproportional und eifrig im Militär und den Sicherheitskräften des sowjetischen Staates engagiert und übernehmen den Gewaltenapparat der Teilrepublik. Losung: „Wir bauen das Neue Sozialistische Armenien!" als Gegenentwurf zum Alten zerstreuter und isolierter Siedlung, der Wehrlosigkeit und des Krämertums. Spezifikum eines nichtrussischen Sowjetpatriotismus im Dienste der Nation. 1923 Auflösung der armenischen Gemeinde in Konstantinopel, der Polis – der letzten in der Türkei verbliebenen, vor dem Einzug nationalistischer Verbände. Auf Druck seiner Mitbrüder verbleibt Patriarch Zaven mit ihnen in der Stadt, die den Türken zum Trotz nicht jegliche armenische Präsenz verlieren soll. Im Zeichen des im 20. Jahrhundert triumphierenden Nationalismus vollzieht sich zwischen Armeniern und Türken eine ethnisch - territoriale Abgrenzung analog derjenigen zwischen Griechen und Türken; wenn auch differierend in Methode, Abfolge und Umfang. Die entsprechende Entflechtung und Abgrenzung zwischen Armeniern und Tataren wird durch die Pax Sovietica um 70 Jahre aufgeschoben. 11.1.23 König Konstantin verstirbt im Exil in Palermo. 11.1.23 Französische Truppen besetzen das Ruhrgebiet. Frankreich ist – zum Nachteil seines Einflusses im Orient - auf dem Kontinent gebunden. 1.3.23 In Griechenland tritt der Gregorianische Kalender für den säkularen Gebrauch in Kraft (auch kirchlich 1924, Osterdatum ausgenommen). 1.3.23 Griechenland und die Türkei schließen in Venedig Abkommen zum „Bevölkerungsaustausch" - Konstantinopel und Westthrakien ausgenommen. März 23 Die türkische Delegation reist aus Venedig ab, weil Großbritannien auf der Räumung Ioniens besteht und ihre Konzessionsforderung der Beibehaltung eines Referendums ablehnt. Lord Curzon in Venedig zum türkischen Delegationsleiter und Außenminister Ismet Pascha: „Sie glauben doch wohl nicht, daß wir ohne jede Gegenleistung Konstantinopel freigeben, zumal sie auf uns geschossen haben?" In 10 Downing Street zu Premierminister Bonar Law: „Diese Türken können Stan oder Smy bekommen, aber verdammt noch mal nicht beides!" Die Türken verlangen keinen Verzicht auf Gebietsaustausch, weil Ostthrakien die Position in Konstantinopel absichert, die auch europäische Identität der zukünftigen Türkei unterstreichen soll und, so Kemal, in der Zukunft eher Ionien als Ostthrakien zurückzuerobern sei. Gewalt sei vorerst keine Option: Bei einem Angriff auf Konstantinopel ließen die Briten die Griechen in die Stadt, bei einem Angriff auf Mossul agitierten sie die Kurden, die Royal Navy könne die Türkei bis ins 18. Jahrhundert zurückblockieren und jeden ihrer Häfen in Schutt und Asche legen. Die vasallierende Anlehnung an den moskowitischen Erbfeind verbiete sich. Die Griechen ziehen den Besitz Ioniens dem Ostthrakiens vor: Rettung der Reste des kleinasiatischen Griechentums, des klassischen Bodens Ioniens und der Ägäis als Binnenmeer. Mai/Juni 23 Türkische Massaker unter den aus Ionien nach Zentralanatolien verschleppten Griechen und Armeniern – auch aus blutrünstigem Haß darüber, daß sie ihre Beute Ionien nicht behalten können. Vergebliche Nachfragen aus Athen und London nach dem Verschwinden Zehntausender. Mai 23 Rückkehr der türkischen Delegation nach Venedig. London hat sich vom Auszug der Türken unbeeindruckt gezeigt während Frankreich sie, an der Ruhr gebunden, in Venedig nicht wirksam unterstützen kann und Italien sie nicht unterstützen will: Briten garantieren Mussolini die griechischen „Zwölfinseln". Die Abreise diente vornehmlich der Vorbereitung des türkischen Volkes auf den Verlust Smyrnas und der Ablenkung seines Zorns auf die Briten, - während Kemal Pascha seine Truppen vorsichtshalber gleichzeitig von der Waffenstillstandslinie und auch weitgehend aus Ionien abzieht, das gegen den weiteren Zustrom türkischer Siedler gesperrt wird. Mai 23 Beginn der Evakuierung der im westlichen Pontus, im Hinterland von Sinope und Amisos (Samsun) unter Führung Bischof Germanos von Kastoria verbliebenen Pontusgriechen durch britisch – französisch – italienisch - griechische Flotte über Konstantinopel in den griechischen Teil Makedoniens. Mai 23 Die Athener Regierung demobilisiert die Thrakienarmee weitgehend und beruft ihren Oberbefehlshaber Pangalos ab, um einer Meuterei vorzubeugen. 22.5.23 Stanley Baldwin wird Premierminister nach dem Rücktritt Andrew Bonar Laws. 7.7.23 Tataren verstümmeln das Autonomiegebiet Karabagh auf ein Drittel seiner Größe zu der Enklave Nagorny Karabagh. Dazu auch Gründung einer autonomen Kurdenrepublik im Korridor zwischen Armenien und Karabagh („Rotkurdistan", Kurdistan Sor – 1929 aufgelöst). August 23 Paris: Die Armenische Nationaldelegation propagiert die Repatriierung von Genozidflüchtlingen aus dem Nahen Osten nach Armenien. Die Mandatsmacht Frankreich verbietet trotzt massiver Proteste den annähernd 100 000 vor dem Genozid nach Syrien entkommenen Armeniern die Remigration ins sowjetische Westarmenien: Paris will nicht Sowjetarmenien, sondern das Gegengewicht zu Muslimen und Drusen in Syrien stärken. 10.8.23 Türkische Nationalisten nehmen am Jahrestag des Friedensvertrages von Sèvres die Tradition auf, Puppen, die ihr satanische Duo - Wilson und Lloyd George – darstellen, zu verbrennen. 24.8.23 Friedensvertrag von Venedig - Britanniens letzte imperiale Tat – im Palazzo Ducale, dem Dogenpalast. Orientierung am „Curzon – Plan": Neben dem Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei (Konstantinopel mit Minderheitenrechten für Griechen, Armenier und Juden - Westthrakien mit Minderheitenrechten für Muslime ausgenommen) - nach Streichung des Ionienreferendums - auch Gebietsaustausch: Ostthrakien für Ionien. Fixierung der griechisch – türkischen Grenze in Europa am Evros. - Fixierung der türkisch – arabischen Grenzen zu Syrien (analog Ankara – Vertrag) und zum Iraq (analog Sèvres – Vertrag), die arabisches und kurdisches Siedlungsgebiet durchschneiden: türkischer Korridor zwischen Armenien und Mesopotamien nach Persien und angloiraqischer Besitz Mossuls bestätigt. - Die Türkei erhält Unabhängigkeit und Souveränität – die internationale Verwaltung der Passage der entmilitarisierten Meerengen ausgenommen. Keine Erwähnung armenischer, aramäischer und kurdischer Angelegenheiten, die Minderheitenrechte von Venedig gelten nicht für Syriani. - Die „Zwölfinseln" (Dodekanes) werden in italienischem Besitz bestätigt. In der Exklave Ionien – eine Peloponnes in Übersee – überlebt das 3000jährige kleinasiatische Griechentum. Griechenland ist damit, wie die Türkei, ein bikontinentaler Staat und liegt auf zwei Kontinenten - wenn auch nicht an fünf Meeren - mit einem Territorium in Kleinasien, das etwa so groß wie das der Türkei in Europa ist und die Ägäis fast ganz umschließt, die quasi zu einem griechischen Binnenmeer wird: Lesbos, Chios und Samos sind griechischen Küsten vorgelagert. Der Hermos in Kleinasien ist quasi ein griechischer Fluß. Die Ruinen von Pergamon und Ephesus mit dem Artemistempel sowie dem nahegelegenen Marienhaus an der Türkengrenze, fünf der „Sieben Kirchen" Kleinasiens, christlicher Urgemeinden, darunter Thyateira und Sardis - liegen auf griechischem Territorium. Wie 100 Jahre zuvor die Griechen bleiben auch die Türken im Unabhängigkeitskrieg – Status und Territorium betreffend – unbefriedigt. Die Griechen müssen an der megali idea, die Türken am Nationalpakt zurückstecken. - Venizelos: „Wir haben einfach Glück gehabt, daß Türken und Engländer aufeinander geschossen haben. Nur dadurch ist Smyrna doch noch gerettet worden." Verbitterung im griechischen Volk darüber, doch nicht wieder in die Hagia Sophia einziehen zu können. Die Türkei muß die territorialen Bestimmungen aus den Pariser Vororten im Wesentlichen anerkennen und wird vorwiegend auf türkisches Siedlungsgebiet begrenzt. Der türkische Nationalismus verfehlt den „Nationalpakt", weil er die Armenier und Griechen in Kleinasien nicht aufreiben kann und die territorialen Bestimmungen von Sèvres im Wesentlichen bestehen bleiben. Die Christen, zu Beginn des Weltkrieges etwa ein Fünftel der Bevölkerung Kleinasiens, erhalten einen ungefähr analogen territorialen Anteil des Subkontinents. Territoriale Einbußen nach dem Weltkrieg bleiben den Türken so wenig erspart wie Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien - den anderen Verlierern des Weltkrieges. Die Briten haben die Griechen gegen die Türken vor einer Katastrophe bewahrt, wie die Franzosen die Polen gegen die Russen – und sind im Orient mit dem türkischen Nationalismus ebenso zusammengestoßen, wie auch mit dem arabischen und jüdischen Nationalismus. Wie die Polen gegen die Russen, so konnten die Griechen gegen die Türken ein Maximalprojekt nicht realisieren. Türken und Russen erleiden Interventionsverluste an der westlichen Peripherie. Kemal: „Die Schüsse von Çanakkale haben uns Izmir gekostet." Außenminister Ismet Pascha, der sich schon hängen sieht, überlebt als ebenso fähiger und ergebener wie abhängiger Paladin und wird Ministerpräsident. Er „vererzbergert" nicht, weil das Regime seine Interpretation des Friedensvertrages kanonisiert und abweichende Deutungen unterdrückt. Um nicht in Ost wie West unbefriedigt geblieben zu sein nimmt der Kemalismus Geschichtsfälschungen vor: Die armenischen ebenso wie die arabischen Provinzen seien vom Nationalpakt ausgenommen, der erste Nationalistenkongreß im armenischen Erzurum (Juli 19) sei von minimaler Bedeutung gewesen - seine Resolutionen werden unterschlagen oder verkürzt. Bei den Kämpfen im Osten habe es sich um einen Privatkrieg des verfluchten Karabekir Pascha gehandelt. Das kemalistische Regime unterdrückt die potentiell diskreditierende Propagierung der „Großen Flucht" oder „Ostanatolischen Katastrophe". 31.8.23 Meuterei in Eskişehir gegen den Friedensvertrag von Venedig. Die meuternden Regimenter bemächtigen sich der Stadt, werden aber nach wenigen Tagen beim Marsch zur Nationalversammlung in Ankara von loyalen Truppen vernichtend geschlagen, die darauf Eskişehir einnehmen und die Meuterer niedermetzeln. - Kemal Pascha, Exponent der nationalistischen Eliten, unterdrückt verbreiteten Widerstand in Armee und Volk gegen den „Verfluchten Vertrag", den „Raub Izmirs" mit eiserner Faust in der Erkenntnis, sein revolutionäres Modernisierungsprojekt andernfalls nicht aufnehmen zu können. Die Propaganda betont den Sieg über die Griechen, die Erkämpfung der Unabhängigkeit und die Befreiung Konstantinopels. Der Friedensvertrag wird für den populären Hausgebrauch als leider notwendiger Zwischenschritt auf dem Weg zum Nationalpakt dargestellt, der einstweilen gegen das Empire, das perfide Albion, nicht durchzusetzen sei. 31.8.23 Italienische Flotte beschießt und besetzt Korfu nach einem Ultimatum wegen der Ermordung italienischer Offiziere im griechisch – albanischen Grenzegebiet drei Tage zuvor. 27.9.23 Italiener räumen Korfu auf britischen Druck. Offenbar geplante Annexion bleibt aus. Hintergrund der Aktion auch Unzufriedenheit Italiens über Friedensvertrag von Venedig – der Versuch, eine Kompensation für Smyrna zu erbeuten? 30.9.23 Türkische Nationalversammlung nimmt den Vertrag von Venedig mit 151 zu 99 Stimmen an, nachdem sich die geringe Hoffnung auf einen Krieg zwischen Großbritannien und Italien – Spannungen um Korfu - aufgelöst hat. 1.10.23 Die Türken brennen in Smyrna auch ihre Viertel im Osten und Süden nieder. 1.10.23 Die griechische Regierung verbietet die nichtprivate Schreibung des Griechischen in „türkischen (arabischen) Buchstaben" – Westthrakien ausgenommen – die unter kleinasiatischen Griechen noch verbreitet ist (aufgehoben Juni 28). 1.10.23 Mehmet VI. wird auf britischem Kriegsschiff aus Konstantinopel evakuiert. Nationalversammlung wählt darauf einen Vetter als Abdülmecit II. zum Kalifen. Amtseinführung ohne Zeremoniell. Die Briten heben die Seeblockade Kleinasiens gemeinsam mit den Griechen auf und räumen die besetzten Meerengenzonen der Dardanellen und am Bosporus. Oktober 23 Die Türken besetzen, nach Überfahrt des Marmarameeres, Ostthrakien, das von den Griechen geräumt wird – während die Griechen, nach Landung aus der Ägäis, Ionien besetzen, das von den Türken geräumt wird. Der Völkerbund führt die Aufsicht über die Räumungen, um Zerstörungen und Brände einzudämmen. Britischer Offizier: „Wir haben die Griechen aus der Ägäis gezogen und wieder an Land gesetzt." 5.10.23 Volksaufstand in Bursa gegen die Annahme des Friedenvertrages von Venedig wird von Regierungstruppen auf Befehl Kemal Paschas erbarmungslos niedergemetzelt. 13.10.23 In der Türkei erstmals „Märtyrertag" (nicht arbeitsfrei) zum Gedenken an das „Massaker von Istanbul". Der Kemalismus institutionalisiert die Misoanglie als Integrationsmittel und zur Ablenkung von der Verfehlung des Nationalpakts. 30.10.23 Türken besetzen Imbros und das Eiland Tenedos – die zu Ostthrakien gehören. Der Friedensvertrag von Venedig hat für beide Ägäisinseln neben den in ihm enthaltenen Minderheitenrechten zusätzlich den Autonomiestatus verfügt. 31.10.23 Türken besetzen Adrianopel, das die Griechen in Brand gesetzt haben. 9.11.23 Nach Parade der Coldstream Guards Abzug der Briten aus Konstantinopel nach fünf Jahren (am Tag des Hitler – Putsches in München). Die Briten beginnen den britisch – türkischen Krieg von 1922 (nicht ganz korrekt) „Forty Days´ War" oder „October War" zu nennen – über den die verbreitete Ansicht herrscht, daß er das Verhandlungsergebnis hervorgebracht habe, das auch ein unblutiges Szenarium ohne „Chanak Incident" hervorgebracht hätte. 10.11.23 Triumphalistischer Einzug Kemal Paschas in Konstantinopel. Inszenierung als Befreier der Stadt. Dreitägige „Siegesfeiern" in Konstantinopel und der Türkei. Krawalle in Athen – auch antibritisch – aus Verbitterung über den Einzug der Türken in Konstantinopel und den endgültigen Verlust der Hagia Sophia. 10.11.23 Grundsteinlegung von Nea Smyrni an der Stelle der alten zerstörten Stadt, die, bei sorgfältiger Restauration profaner und nichtprofaner öffentlicher Gebäude, wiederaufgebaut wird. Die Türken verlieren Smyrna nach 499 Jahren. Smyrna, die „Perle der Ägäis" mit intensivem Fährverkehr zwischen ihren Stadtvierteln, entwickelt sich wieder rasch zur zweiten Metropole der Nation neben Athen - mit dem moderneren Erscheinungsbild nach dem Inferno von 1922. Der Siedlungsschwerpunkt des Griechentums bleibt damit im zentralägäischen Kraftfeld seiner beiden Metropolen liegen, während der Norden dünn besiedelt bleibt. Außerdem in Ionien von Bedeutung: Magnesia und Pergamos - sowie an der Küste Phokaia und Kydonies vor Lesbos. Ionien wird rasch wieder zum Zentrum der Tabak- und Textilindustrie (Teppiche) Griechenlands. In der Hochburg des griechischen Republikanismus, der griechischen Linken, gewinnt Eleftherios Venizelos, Chefunterhändler in Venedig, Kultstatus als „Retter Ioniens". 11.11.23 Die Türkei verhängt totale Sperre gegen Ionien: Schließt die Grenze zu Ionien, sperrt ihre Häfen und Lufthäfen gegen Ionien, verbietet ihren Schiffen und Flugzeugen die Landung in Ionien, außerdem ihren Staatsbürgern den Aufenthalt in Ionien. Offizielle türkische Landkarten zeichnen Ionien als weiße oder schwarze Fläche mit der Inschrift „zur Zeit unter griechischer Besatzung" aus. Im Interesse des Ökumenischen Patriarchats, der griechischen Gemeinde in Konstantinopel und der griechischen Schiffahrt verzichtet Griechenland auf die Schließung der Grenze zur Türkei in Europa (die über Bulgarien immer noch offen wäre), eine Gegenblockade Ostthrakiens und/oder die Verweigerung diplomatischer Beziehungen. 17.11.23 Die Nationalversammlung bestimmt Ankara zur Hauptstadt, proklamiert die Türkische Republik und wählt Kemal Pascha zu ihrem ersten Präsidenten. Am Tag darauf wird das Rednerpult der Nationalversammlung in Trauer um das „Verlorene Izmir" – andauernd - in ein schwarzes Tuch gehüllt.
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